Bitcoin existiert nun bereits seit gut 13 Jahren und es gibt mittlerweile eine Fülle an Daten, die man zur Analyse der Preisentwicklung des Assets betrachten kann. Die Tatsache, dass Bitcoin ein transparentes, auf einer Blockchain öffentlich gespeichertes Zahlungsnetzwerk ist, liefert dabei eine Menge zusätzlicher und vor allem verlässlicher Datenpunkte.
Im Laufe der Jahre haben sich für Bitcoin erkennbare Preiszyklen herauskristallisiert, die am Markt zu einiger Bedeutung gelangt sind und mittlerweile von vielen Analysten bei der Begutachtung berücksichtigt werden.
Derzeit herrscht am Markt im Großen und Ganzen der Konsens, dass Bitcoin sich innerhalb von jeweils vier Jahren andauernden preislichen Zyklen bewegt, die die jeweiligen Bullen- und Bärenmärkte eingrenzen und sich anhand einiger grundsätzlicher Metriken entlang orientieren.
Das Analyseteam von Grayscale, dem größten Bitcoin-Vermögensverwalter der Welt, skizziert regelmäßig die Weiterentwicklung des Krypto-Marktes anhand der Berücksichtigung dieser Preis-Zyklen. Im neusten Report wurde die bisherige Historie der Preis-Zyklen zusammengefasst und quantitative Daten zu den einzelnen Zyklen, aber auch die fundamentalen Kurstreiber des Marktes aufgegriffen.
Was sind Bitcoin-Preis-Zyklen?
Zunächst ganz generell: Zyklen sind nicht nur ein Phänomen von Bitcoin, sondern spielen an der Börse bereits seit jeher eine große Rolle. Die Finanzmärkte bewegen sich stets in großen Zyklen, die von kürzeren Aufwärts- und Abwärtstrends durchzogen sind. Sicher werden einige bereits Sprichwörter wie beispielsweise „Sell in May and go away – but remember to come back in September“ kennen. Das spielt auf eine in der Regel auftretende Sommerflaute an, die an den Aktienmärkten zu geringerer Börsenaktivität und fallenden Kursen führen kann – ein saisonal bedingter Trend also.
Es gibt diverse Zyklen, die an den Finanzmärkten eine Rolle spielen und die Kurse von Vermögenswerten beeinflussen können. Das können saisonal bedingte Zyklen wie Jahres- oder Jahrzehnt-Zyklen sein, aber auch politische Wahl-Zyklen oder übergeordnete wirtschaftliche Boom and Bust-Zyklen, die mit der fundamentalen Funktionsweise der Geldpolitik oder der globalen Wirtschaft zu tun haben.
Bitcoin-Halving und das Stock-to-Flow-Model
Bitcoin hat einige spezielle Eigenschaften, die sich augenscheinlich stark auf seine Preis-Zyklen auswirken. Die wohl relevanteste Eigenschaft von Bitcoin, die darauf eine Auswirkung hat, ist das Bitcoin-Halving. Die Neuerzeugungsrate von Bitcoin halbiert sich alle vier Jahre. Das heißt, dass das Angebot von Bitcoin sich alle vier Jahre halbiert – bei einer entsprechend gleichbleibenden oder sogar steigenden Nachfrage nach Bitcoin wird schnell ersichtlich, dass das Halving also eine große Auswirkung auf den Preis haben kann.
In den letzten Jahren populär geworden ist das sogenannte Bitcoin-Stock-to-Flow-Model des anonymen Bitcoin-Analysten „PlanB“, welches den Ansatz hat, diese festgelegte Verringerung der Neuerzeugungsrate von Bitcoin preislich in einem Modell einzufangen.
Es misst den aktuellen Bestand eines Vermögenswertes gegen den Fluss der neuen Produktion oder wie viel in einem Jahr neu erzeugt wird. Ein höheres Verhältnis weist auf eine größere Knappheit hin, was wiederum auf einen höheren Wert hinweist.
Das Modell von PlanB ist zuletzt jedoch ein wenig in die Kritik geraten, da es für die Zeit nach dem 2020 stattgefundenen dritten Halving einen Durchschnittspreis von 100.000 Dollar pro Bitcoin angibt, dieser Kurs jedoch bekanntlich bisher noch nicht erreicht worden ist. Der allgemeine Konsens geht nun von einem Krypto-Bärenmarkt aus und es wird erst für das nächste Halving wieder mit einem durchschlagenden Effekt der Halbierung der Neuerzeugungsrate auf den Preis gerechnet.
Der realized price von Bitcoin
Eine weitere wichtige Metrik ist der sogenannte „realized price“ von Bitcoin. Das ist der durchschnittliche Preis für Bitcoin zum Zeitpunkt des letzten gemessenen Verkaufs. Die Summe aller Bitcoin-Einheiten zu ihrem on-chain-gemessenen Verkaufswert geteilt durch die Marktkapitalisierung von Bitcoin ergibt einen Messwert, wie viele Bitcoin-Positionen am Markt profitabel sind oder im Verlust stehen.
Grayscale nutzt in seiner Zyklus-Analyse den realized price als Metrik, um den Anfang und das Ende eines Zyklus zu bestimmen. Laut den Analysten von Grayscale hilft es, zu bestimmen, wann die meisten Vermögenswerte über dem Preis gehalten werden, zu dem sie gekauft wurden, um zu erkennen, wann der Markt damit beginnt, aus einem Bärenmarkt in einen neuen Zyklus überzugehen und umgekehrt.
Wie sehen Bitcoin-Preiszyklen aus?
Bitcoin-Preis-Zyklen erstrecken sich bisher über 4 Jahre. Das ergibt sich wie angesprochen aus dem Halving, welches alle 4 Jahre bzw. alle 210.000 Blöcke stattfindet. Eine Block-Erzeugung dauert durchschnittlich 10 Minuten. Im Bitcoin-Protokoll ist eine Halbierung der Bitcoinneuerzeugung pro Block alle 210.000 Blöcke festgelegt. Das ergibt einen Zeitraum von 4 Jahren.
Auch die von Grayscale herangezogene Kreuzung des realized price mit dem Marktpreis hat bisher etwa alle 4 Jahre stattgefunden (mit Ausnahme des Corona-Crashs im März 2020, welcher jedoch als Black-Swan-Event klassifiziert und damit ausgeklammert werden kann).
Daraus ergibt sich anhand der Grayscale-Daten eine durchschnittliche Länge von 1.275 Tagen für jeden Zyklus. Eine weitere Erkenntnis ist, dass es in jedem Zyklus länger gedauert hat, bis ein neues Allzeithoch erreicht wurde. Der Zyklus von 2012 bis 2016 brauchte 603 Tage bis zum Hoch, der darauffolgende von 2016 bis 2020 brauchte 786 Tage und der von 2020 bis heute andauernde Zyklus sogar 952 Tage. Die beiden abgeschlossenen Zyklen haben zudem 391 bzw. 364 Tage gebraucht, bis sie vom Hoch ihre Korrektur mit einem Bärenmarkt-Boden beendet hatten.
Betrachtet man den derzeitigen Zyklus, so ist der realized price am 13. Juni 2022 unter den Marktpreis von Bitcoin gesunken und damit anhand der Messmethode von Grayscale offiziell in einen Bärenmarkt übergegangen. In den letzten beiden Zyklen hat sich die Phase, in der der realized price unterhalb des Marktpreises lag, über 303 bzw. 268 Tage erstreckt. Nimmt man diese vergangenen Preisdaten als Vergleich, dann scheint Bitcoin noch eine Phase von 200 Tagen oder länger innerhalb eines Bärenmarktes vor sich zu haben, bis dieser Zyklus beendet werden kann.
In den letzten beiden Zyklen dauerte es jeweils etwas weniger als drei Jahre, bis das alte Allzeithoch wieder zurückerobert werden konnte und ein weiteres Jahr, um ein neues Allzeithoch zu setzen. Sollte sich diese Verhaltensweise fortsetzen, würde das ebenfalls weiterhin mit dem Halving harmonieren.
Das nächste Halving steht im Jahr 2024 an und bisher hat sich ein Effekt auf den Preis durch die Veränderung von Angebot und Nachfrage mit einiger Verzögerung bemerkbar gemacht. Das würde Hand in Hand mit der von Grayscale gemachten Messung gehen, die einen Zeitraum von etwa 3 Jahren bis zum alten Allzeithoch und 4 Jahren bis zu einem neuen Peak in Aussicht stellt.
Die fundamentalen Treiber hinter den Bitcoin-Zyklen
Das bei Bitcoin festgelegte Halving ist zwar ein starker fundamentaler Faktor, der Einfluss auf die Preis-Entwicklung nehmen kann, jedoch ist dieser Faktor nur ein interner Treiber für das Bitcoin-Ökosystem. Die Adaption in der realen Welt und die Geschehnisse an den externen Finanzmärkten haben ebenfalls großen Einfluss auf die Preisentwicklung. Denn letzten Endes kommt es immer auf die Adaption und die Weiterentwicklung eines Netzwerks an, wenn der Preis, bzw. der Wert eines Vermögenswertes steigen soll.
Während die ersten Jahre als Findungsphase für Bitcoin betrachtet werden können, wurden die vergangenen Zyklen auf fundamentaler Ebene von wesentlichen Faktoren angetrieben. Der erste große Zyklus war bestimmt durch die Etablierung von Bitcoin, indem die ersten relevanten Handelsplätze wie Mt.Gox oder auch die illegale Handelsplattform Silk Road aufgebaut und genutzt wurden.
Zudem kamen eine Vielzahl neue Wallets und im Laufe der Zeit auch neue Kryptowährungen hinzu, wie diverse Bitcoin-Klone und Privacy-Coins. In negativer Hinsicht beeinflusst wurde der Preis durch den Bann des Bitcoin-Handels in China und diverser großer Hacks, darunter der daraus resultierende Untergang von Mt.Gox.
Der zweite Zyklus wurde bestimmt von dem Aufstieg von Ethereum und dem großen ICO-Hype, im Zuge dessen tausende neue Projekte auf den Krypto-Markt gekommen sind und Kapital eingesammelt haben.
Der derzeitige Zyklus war bestimmt von dem Einstieg institutioneller Investoren, der Adaption von ersten Staaten, die Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptieren, aber auch durch den Hype um Decentralized Finance ab Sommer 2020 und später dem Aufkommen von NFTs und dem Metaverse.
Dieser Rally den Stecker gezogen haben zum ersten Mal makroökonomische Gründe, da Bitcoin und der restliche Krypto-Sektor mittlerweile eine Größe angenommen haben, die sie für die globalen Finanzmärkte relevant machen und daher auch von makroökonomischen Umständen beeinflusst werden können.
Die Geldpolitik der Notenbanken, vor allem der US-Notenbank Federal Reserve, hat den Bitcoin-Preis zunächst maßgeblich aufgebläht – zusammen mit allen anderen Assets an den Finanzmärkten – nur um dann durch die notwendige quantitative Straffung zur Bekämpfung der Inflation alles wieder crashen zu lassen.
Was könnten die nächsten Treiber sein?
Im Nachhinein ist es einfach zusagen, welcher Treiber maßgeblich für die vergangenen Zyklen waren. Vorauszusagen, welches Event oder welche Reihe von Ereignissen der Initiator für den nächsten Bullenmarkt sein können, ist unmöglich, allerdings gibt es ein paar relevante Faktoren, auf die man ein Auge haben sollte.
Die Geldpolitik und die Entwicklung der Inflation – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Wirtschaft – wird vorerst im Fokus der Aufmerksamkeit an den Finanzmärkten bleiben. Das wird auch weiterhin entsprechende Auswirkungen auf den Bitcoin-Preis nehmen. Eine Umkehr der Geldpolitik der Fed hin zu einer Lockerung wird den Finanzmärkten Atemluft verschaffen und auch Bitcoin Druck von den Schultern nehmen.
Andererseits werden die fundamentalen Stärken von Bitcoin als unabhängiges, nicht inflationierbares Asset im Angesicht der sich verdüsternden globalwirtschaftlichen Lage immer relevanter. Eine zunehmende Instabilität des traditionellen Finanzsektors könnte in den nächsten Jahren zum Trigger werden, der Banken, institutionelle Investoren und weitere Länder dazu bewegen wird, sich intensiver mit Bitcoin zu befassen und ein aktives Engagement im Bitcoin-Ökosystem einzugehen.
Ein erfolgreicher Umbau von Ethereum – das immer noch die Infrastruktur für einen überwiegenden Teil des gesamten Krypto-Sektors ist – und eine Lösung der Skalierungs- und Effizienzfrage könnte in den nächsten Jahren ebenfalls eine massive Investitions- und Adaptionswelle auslösen, die dazu führen könnte, dass der traditionelle Finanzsektor und vielleicht sogar die digitale Wirtschaft als solches langsam aber sicher hinein in den Krypto-Sektor migriert – mit all den damit verbundenen Kapitalströmen.
Wenn das Skalierungsproblem gelöst ist und DeFi-Anwendungen in der Realwirtschaft ohne Einschränkungen genutzt werden können, dann kann auch ein tatsächlicher Wert für die Allgemeinheit mit diesen Projekten erzeugt werden – bedeutet: dann kann Geld verdient und Kapital zur Finanzierung in Hülle und Fülle eingesammelt werden.
Was sollte man als Investor mit diesen Informationen anfangen?
Preis-Modelle sind immer eine Vereinfachung der tatsächlichen Begebenheiten und sollen lediglich der Orientierung dienen. Ein vereinfachtes Modell kann niemals den Anspruch haben, die komplexe Realität zuversichtlich und zu einhundert Prozent korrekt vorauszuberechnen.
Jedoch dienen Modelle als hilfreiche Werkzeuge, um übergeordnete Trends zumindest im Ansatz zu erkennen und um eine Bemessungsgrundlage zu haben, anhand derer man Situationen und zeitliche Phasen an den Finanzmärkten besser einschätzen kann.
Entsprechend sollte man auch mit diesen Modellen umgehen: Sie können eine hilfreiche Orientierung sein, man sollte sich jedoch niemals gänzlich auf sie verlassen und immer bereit sein, die eigene Meinung anhand der Geschehnisse am Finanzmarkt anzupassen.
Generell sollte man innerhalb seiner Investmentstrategie immer mehrere mögliche Szenarien einkalkulieren, damit man entsprechend flexibel agieren kann und nicht davon überrascht wird, sollte ein Modell irgendwann komplett daneben liegen – egal, wie plausibel es vorher erschienen ist.
Weitere Infos:
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