Bitcoin ist der Einstieg in das Thema Blockchain und Kryptowährungen. Wer die Basics anhand von Bitcoin gelernt hat, für den ist der Sprung hinein in Ethereum der nächste Schritt, denn hier entfaltet die Krypto-Welt erst ihre wahre Komplexität. Denn Ethereum hat einen weitaus tiefergehenden Ansatz als Bitcoin, der in seiner schlichten Eleganz lediglich ein neues Zahlungssystem sein will, nicht mehr und nicht weniger.

Ethereum – die Infrastruktur des Krypto-Sektors

Ganz am Anfang muss man bereits eine Sache klarstellen: Ethereum ist keine Währung. Ethereum ist eine eigenständige Blockchain, die technisch einige Unterschiede zu der von Bitcoin aufweist und in ihrer Anwendung weit über ein Zahlungssystem hinausgeht.

Ethereum soll ein dezentral gesteuertes, globales Betriebssystem sein, auf dem dezentrale Applikationen (Dapps) aller Art gebaut werden können. Meistens unter dem Ansatz finanzieller Anwendungsmöglichkeiten. Das passiert mittels sogenannter „Smart Contracts“ – also intelligenten Verträgen, die automatisch vorher durch den Programmcode festgelegte Aktionen ausführen (und einmal ausgeführt auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können, außer eben durch eine neue Aktion).

Das klingt zunächst etwas abstrakt. Im Grunde bedeutet es, dass man sämtliche finanziellen Anwendungen, die heute ohnehin bereits digital ausgeführt werden, auf dezentrale Art und Weise neugestalten kann. Ethereum soll eine Grundinfrastruktur werden, auf der alles, wozu man heutzutage einen zentralen Mittelsmann braucht, ohne diese Drittparteien ausführbar sein kann. Um Ethereum in seiner vollen Bandbreite nutzen zu können, braucht man also in der Theorie nur ein Smartphone oder PC und Zugang zum Internet.

Auf Ethereum wird derzeit eine Menge experimentiert und es werden neue und dezentrale Varianten von Anwendungen aller Art entworfen, die wir aus dem Internet kennen. Die jeweilige Applikation kann open source und komplett dezentral gestaltet oder unter der vollen bzw. teilweisen Kontrolle eines Unternehmens sein. Derzeit besteht eine Mischung dieser Varianten auf dem Krypto-Markt. Ethereum wird von einer großen Gruppe von Entwicklern, die auf der ganzen Welt tätig sind, weiterentwickelt, gilt also als ziemlich dezentral. Es steht kein einzelnes Unternehmen dahinter, sondern eher eine unabhängige „Community“.

Ein solches System ist vor allem für Menschen interessant, die in Ländern leben, in denen der Zugang zu einem funktionierenden Finanzsystem stark erschwert ist, aber auch für Menschen, die ihre Daten und Finanzen nicht in die Hände von einzelnen Konzernen geben wollen. Auch für Leute mit sehr wenig Kapital ist ein solches System attraktiv, denn bei Ethereum hat man keine finanzielle Eintrittsbarriere, es können in der Theorie auch Mikro-Cent-Beträge hin und her gesendet werden. Die größtmögliche finanzielle Autonomie wird somit mit den Vorzügen der digitalen Welt bestmöglich kombiniert.

Ether – die Währung des Ethereum-Netzwerks

Der „Treibstoff“, damit diese Smart Contracts funktionieren, ist das sogenannte Ether. Das ist die Kryptowährung, die auf der Ethereum-Blockchain verwendet wird. Für jede Transaktion muss man ein wenig Ether bezahlen, damit sie, bzw. der Smart Contract ausgeführt wird. Ether wird deswegen auch „gas“ genannt. Wenn man mittels eines Wallets eine Transaktion auf der Ethereum-Blockchain ausführen möchte, dann wird als Kosten die „gas fee“ angegeben, also die Menge an Ether, die man dafür aufbringen muss. Der Ether-Preis in Fiat-Währung ist das, was an den diversen Krypto-Börsen als Ethereum-Kurs angegeben wird. Ether ist dabei genau wie Bitcoin bis auf mehrere Dezimalstellen teilbar. In der Regel muss man für Transaktionen nur einen Bruchteil eines Ethers an Gebühren bezahlen. Dennoch sind die Gebühren in der frühen Phase von Ethereum noch astronomisch hoch. Das soll jedoch mit der neuen Version von Ethereum – ETH 2.0 – verbessert werden.

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Das Ethereum-Ökosystem

Ether und Ethereum sind jedoch nur die Grundstruktur, auf der dezentrale Anwendungen und sogar ganze Plattformen aufgebaut werden können, die traditionelle Finanzdienstleistungen ersetzen wollen. Auf Ethereum gibt es mittlerweile tausende verschiedene Projekte, die diverse Anwendungsbereiche in Angriff nehmen. Die meisten zielen dabei auf finanzielle Aspekte ab, es gibt jedoch auch noch andere Anwendungsbereiche, wie beispielsweise supply-chain-management, also die lückenlose und manipulationssichere Zurückverfolgung von Gütern, von der Herstellung bis zum abschließenden Verkauf.

Die Blockchain-Unternehmen, die ihre Plattformen und Projekte auf der Ethereum-Blockchain errichten, erzeugen in der Regel eigene Token, die als funktionale Coins innerhalb ihres eigenen Ökosystems genutzt werden sollen und Investoren wie Endnutzern letztendlich die Möglichkeit geben, mit dem jeweiligen Produkt oder der Plattform zu interagieren oder zumindest darin zu investieren. Die Token werden ebenfalls mittels eines Smart Contract erstellt und bei jedem Token wird individuell von den Schöpfern festgelegt, welche Funktionen er haben soll. Das kann beispielsweise eine Rabatt-Funktion sein, die Möglichkeit bei Entscheidungen abzustimmen, wobei ein Token beispielsweise ein Stimmrecht symbolisiert, oder es kann sogar eine tokenisierte Form eines Vermögensanteils darstellen, ähnlich wie eine Aktie, die auch das automatische Ausschütten einer Dividende ermöglichen kann (und das direkt in das eigene Wallet).

Will man die Token jedoch nutzen, braucht man zusätzlich Ether, den bereits erwähnten Treibstoff der Ethereum-Blockchain. Denn die Token sind alle auf dieser Blockchain abgebildet und sie zu transferieren und mit Smart Contracts interagieren zu lassen, ergo ihre Funktionen auszuführen, kostet jeweils eine gewisse Menge an Ether.

Die Bedeutung von Ethereum für den Krypto-Sektor ist immens. Der überwiegende Teil der Krypto-Assets, die im Umlauf sind und an den verschiedenen Börsen gehandelt werden, sind Tokens, die auf der Ethereum-Blockchain kreiert wurden. Das gibt Ethereum einen enormen Netzwerk-Effekt und macht es für etwaige Konkurrenten enorm schwierig seinen Platz einzunehmen, da ein Wechsel für tausende Projekte eine erhebliche Hürde darstellen würde – vor allem, weil Ethereum unter einer eigenen Programmiersprache funktioniert, genannt „Solidity“. Sämtliche Projekte müssten bei einem Umzug auf eine andere Blockchain also in eine andere Programmiersprache „übersetzt“ werden.

Die Unterschiede zu Bitcoin

Auf der Bitcoin-Blockchain kann man Smart-Contracts nicht programmieren, denn die Programmiersprache von Bitcoin ist zu simpel und nicht „Turing Complete“. Der Begriff Turing Complete bedeutet, dass eine Programmiersprache in der Theorie sämtliche mathematischen Funktionen berechnen kann, die es gibt (in der Praxis geht so etwas nicht, da man für gewisse Berechnungen auch unendlichen Speicherplatz bräuchte). Noch einfacher ausgedrückt: Auf der Ethereum-Blockchain können Programmierer sämtliche Programme, Plattformen und Dienstleistungen bauen, die es auch in der traditionellen Welt gibt oder die mit den heutigen Rechenprozessen irgendwie realisierbar sind. Auf der Bitcoin-Blockchain ist das in ihrer derzeitigen Form nicht möglich.

Daher hat die Ethereum-Blockchain ihre Daseinsberechtigung, obwohl es im Blockchain-Sektor einige „Bitcoin-Maximalisten“ gibt, die Bitcoin als einziges sinnvolles dezentrales System erachten.

Zudem hat Ethereum weitere programmierspezifische Unterschiede zu Bitcoin, die Details würden jedoch in diesem Artikel zu weit gehen. Zusammenfassend muss man als Anleger wissen, dass Ethereum zusätzlich zu den komplexeren Gestaltungsmöglichkeiten schneller bei der Transaktionsverarbeitung ist. Während bei Bitcoin eine Datenblock-Erzeugung und damit Transaktionseintrag etwa 10 Minuten dauert, sind es bei Ethereum im Durschnitt nur etwa 15 Sekunden.

Bitcoin und Ethereum benutzen bisher denselben „Consenus-Algorithmus“, also denselben Mechanismus, die Blockchain zu sichern und mit allen Teilnehmern auf inhaltliche Richtigkeit abzugleichen. Im Dezember 2020 hat das weltweite Entwicklernetzwerk von Ethereum jedoch den ersten Schritt gemacht, das Netzwerk auf ein anderes Verfahren umzustellen, welches die Skalierung von Ethereum signifikant verbessern soll. Das würde bedeuten, dass die Ethereum-Blockchain in Zukunft in der Lage wäre, wesentlich mehr Transaktionen abzuwickeln. Die Umstellung auf ETH 2.0 soll insgesamt mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Ethereum ist nicht konkurrenzlos

Ethereum ist das mit Abstand etablierteste Blockchain-Protokoll für komplexe dezentrale Finanzapplikationen. Ein Großteil des Krypto-Ökosystems nutzt das Ethereum-Netzwerk als Infrastruktur, um die eigenen Projekte darauf zu verwirklichen. Die fehlende Komplexität der Bitcoin-Blockchain und die damit einhergehende Beschränkung finanzieller Anwendungen jenseits reiner Zahlungen hat Ethereum gelöst. Jedoch scheitert auch die Ethereum-Blockchain genau wie Bitcoin und seine vielen Ableger in seiner derzeitigen Version an der nötigen Skalierung, um schnell und effizient genug zu sein, um auf globaler Ebene genutzt werden zu können. Über die Jahre hat sich daher einige Konkurrenz mit alternativen Ansätzen gebildet, von denen einige Projekte eine Menge Aufmerksamkeit – und Kapital – auf sich gezogen haben. Die nach Marktkapitalisierung relevantesten Blockchain-Projekte sind derzeit Cardano, Polkadot und Solana.

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