Bitcoin-Superzyklus: Hirngespinst oder doch noch möglich?

Der zurückliegende Krypto-Bullenmarkt war, so wie alle anderen Bullenmärkte davor auch, geprägt von Hype und einer Menge Euphorie. Nun ist keine Spur mehr von der Euphorie zu sehen, auch wenn die hartgesottenen Veteranen und die Gesichter hinter den großen Krypto-Projekten weiterhin Zuversicht für die langfristige Zukunft vermitteln. Das Gerede von einem „Bitcoin-Superzyklus“ und dass diesmal alles anders sein wird (ein Satz, der in Bullenmärkten oft fällt), ist nun Schnee von gestern. Oder doch nicht ganz?

Der populäre Twitter-Analyst TechDev hat jüngst in einer Chart-Serie Gedanken geäußert, dass der Bitcoin-Kurs sich immer noch auf einem langfristigen „Superzyklus“-Pfad in Richtung 400.000 Dollar und höher bewegt, dass es lediglich länger dauert, als von den meisten Anlegern zunächst erwartet wurde.

Quelle: TechDev/Twitter

„Eine Menge Gerede über einen Superzyklus in 2020 und 2021. Heute hört man sehr viel weniger davon. Eine willkürliche Definition und immer noch weit davon entfernt, bestätigt werden zu können. Aber was haben die Leute erwartet, wie ein gigantischer, mehrjähriger parabolischer Anstieg mit höheren Hochs und höheren Tiefs im Preis aussehen würde?“ schreibt der Analyst in einem Tweet.

Man darf das langfristige Bild nie außer Acht lassen

Mit dieser Argumentation weist der Analyst auf einen wichtigen Punkt hin, nämlich dass Adaption Zeit benötigt. Auch wenn es sich um eine Technologie mit exponentiellem Wachstumspotenzial handelt, die Adaption auf globaler Ebene – und auf genau diesem Pfad befindet sich Bitcoin – braucht dennoch Jahre bis Jahrzehnte. Bullenmärkte neigen dazu, die Leute ungeduldig werden zu lassen und über vernünftige Ziele hinauszuschießen. Im Krypto-Sektor gibt es das geflügelte Sprichwort: „when in doubt, zoom out“. Und genau das zeigt: Vor etwa einem Jahrzehnt waren Bitcoin und die Blockchain praktisch irrelevant. Der Krypto-Sektor wie wir ihn heute kennen hat noch gar nicht existiert.

Gut 10 Jahre später ist Bitcoin ein global relevantes Asset, das sich an den Finanzmärkten einen ernstzunehmenden Platz erobert hat – trotz aller Widrigkeiten, trotz aller Kritik und teilweise auch Herabwürdigung. Angesichts dieses kometenhaften Aufstiegs scheint die weitere globale Adaption ein fast zwangsläufiges Ereignis zu sein. Es gibt wirklich nur wenige Argumente auf fundamentaler Ebene, die ein Scheitern von Bitcoin noch rechtfertigen könnten. Und die, die es sind, werden von Jahr zu Jahr unrealistischer, wie zum Beispiel, dass ein Staat von relevanter Größe die Rechenleistung aufbringen und eine 51% Attacke gegen die Bitcoin-Blockchain ausführen könnte. Die Kosten wären mittlerweile schlicht astronomisch. Im Gegenteil, immer mehr Staaten, Unternehmen und Einzelpersonen erkennen den Wert von Bitcoin immer besser und tragen ihren Teil zur Adaption bei.

Nach dem Bullrun ist vor dem Bullrun

Wieder weg von der langfristigen Betrachtung und näher an den derzeitigen Zustand herangezoomt gibt es jedoch weitere Argumente, die dafürsprechen, dass die Kursentwicklung in dem Gedankenspiel des Analysten TechDev gar nicht so unwahrscheinlich ist. Der Krypto-Sektor hat in den vergangenen Monaten ein Blutbad erleben müssen, noch schlimmer als es an den Aktienmärkten der Fall war – und diese haben das schlimmste Halbjahr seit mehreren Jahrzehnten hinter sich. Viele Altcoin-Projekte haben Verluste von 90 Prozent verkraften müssen und auch wenn Bitcoin diesmal noch nicht um 80 – 85% gefallen ist, so wie es in vergangenen Bärenmärkten der Fall war, ist die absolute Menge an Kapital, die aus dem Markt herausgeflossen ist, um ein Vielfaches größer als in vergangenen Korrekturen. Mit dem vergangenen Quartal hat Bitcoin performanceseitig trotzdem eines der schwächsten Jahresviertel in seiner Geschichte erlebt.

Zudem wurden bereits viele der relevanten Indikatoren getriggert, die in der Vergangenheit einen Boden im Bärenmarkt signalisiert haben, darunter beispielsweise der 200-Wochen-Trend oder das Verhältnis des Realized Value zum Market Value.

Auch on-chain-Daten zeigen trotz der Kurschwäche, dass das Bitcoin-Ökosystem unter der Oberfläche weiterhin vor Kraft strotzt. Die Adaption setzt sich auch im Bärenmarkt unaufhaltsam fort. So ist die Zahl der Bitcoin-Adressen mit einer Balance von mehr als 0 weiterhin auf ihrer Wachstumskurve und auch die Zahl an Bitcoin-Einheiten, die von Handelsplattformen auf einen „Cold Storage“, also ein Wallet zur langfristigen Verwahrung gelegt werden, steigt.

Quelle: Glassnode, Blockforce Capital, Bloomberg

Brett Munster von Blockforce Capital, einen Krypto Investment und Analyse Unternehmen, beschreibt in einem aktuellen Marktbericht, dass Krypto-Assets typischerweise während Bärenmärkten aus dem Cold Storage genommen und wieder an Börsen deponiert werden, was auf eine Verkaufsabsicht hindeuten kann. Im Moment ist das nicht der Fall. „Abgesehen von den etwa 80.000 Bitcoins, die von der Terra Luna Stiftung in ihrem gescheiterten Versuch, die Bindung ihres Stablecoins UST zu verteidigen, auf den Markt geworfen wurden, haben wir weiterhin einen stetigen Fluss von Bitcoin aus den Börsen gesehen, um für eine langfristige Akkumulation aufbewahrt zu werden. Im Gegensatz zu 2018, als die Nachfrage nach Bitcoin während dieses Preisverfalls zurückging, gibt es heute keine Anzeichen einer Verlangsamung der Akzeptanz. Trotz des jüngsten Preissturzes sind die Fundamentaldaten von Bitcoin jetzt wohl stärker als je zuvor in seiner Geschichte“, so die Einschätzung des Analysten.

Jetzt sind nur noch die Hartgesottenen übrig

Auch der Datenanbieter Glassnode sieht das Schlimmste für den Krypto-Markt anhand einiger On-Chain-Signale bereits überstanden. „Das Bitcoin-Netzwerk geht in einen Status über, in dem fast alle spekulativen Anleger und ‚Markt-Touristen‘ komplett aus dem Asset getrieben wurden“, schreiben die Analysten des Datenanbieters in einer Notiz.

Währenddessen sind bei den Veteranen, sowohl bei den Kleinanlegern als auch bei den Bitcoin-Walen, verstärkte Akkumulations-Vorgänge zu beobachten. Sowohl die Bilanzen der Entitäten mit Bitcoin-Beständen mit weniger als 1 BTC, als auch Entitäten mit über 1000 BTC steigen laut dem Datenanbieter. Insbesondere die Kleinanleger sehen die aktuellen Bitcoin-Preise als attraktiv an und häufen sie mit einer Rate von fast 60.500 BTC pro Monat an, was laut Glassnode „die aggressivste Rate in der Geschichte“ ist und 0,32 % des BTC-Angebots pro Monat entspricht.

Währenddessen hat sich die Zahl der täglich aktiven Adressen von einer Million zur Jahreswende auf derzeit noch 870.000 verringert. Auch das Wachstum der neu in den Markt kommenden Entitäten, bzw. ganz neuer Bitcoin-Adressen, hat sich deutlich verlangsamt. Die Zahl der Transaktionen bewegt sich ebenfalls seitwärts. Das spricht laut Glassnode für eine Schwäche in der Nachfrage. Kurz gesagt: die Touristen haben sich verzogen, die Veteranen sind geblieben. Man könnte es auch in gängiger Krypto-Manier beschreiben: Das Bitcoin-Kapital ist von den „weak hands“ zu den „strong hands“ gewechselt.

Superzyklus ja oder nein?

Auch wenn der Boden vielleicht immer noch nicht da ist – wirklich vieles spricht dafür, dass er zumindest sehr nahe sein dürfte. Und auch wenn das makroökonomische Umfeld aufgrund der allgemeinen Unsicherheit, der Geldpolitik der Notenbanken und all den damit einhergehenden Schmerzen für die Finanzwelt derzeit wenig rosig aussieht, es ist trotzdem kein unrealistisches Szenario, dass sich der Bitcoin-Preis in den nächsten zwei bis drei Jahren erneut in die Höhe schwingt und sechsstellige Kurse erreicht.

Es bleibt fraglich, ob die Inflation sich wirklich so bald bändigen lassen kann. Das hat zwar letzten Endes indirekt zum derzeitigen Kurscrash auch bei Bitcoin geführt, da die Notenbanken entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen. Mittel- und langfristig kann die Inflation jedoch auch der nächste Trigger für einen Bitcoin-Bullrun sein, denn es zirkuliert immer noch extrem viel Geld an den Märkten, das eingesetzt werden möchte.

Wo soll es hin?

In Aktien? Die nächsten Quartalsberichtsaisons dürften angesichts der nun wahrscheinlich ausbrechenden Rezession alles andere als rosig werden und der Zinsstraffungskurs wird die Wirtschaft und damit viele Aktienwerte weiter in die Mangel nehmen.

In Anleihen? Der Zinserhöhungszyklus wird die Kurse an den Anleihemärkten weiter in den Keller drücken und die Zinsen kommen der Inflation trotzdem nicht hinterher. Anleihen sind ein Minusgeschäft.

In Immobilien? Der Immobilienmarkt ist ein Markt, der mit Schulden vollgepumpt ist. Das ist zwar an den Aktienmärkten im Endeffekt auch nicht anders, doch an den Immobilienmärkten ist die Struktur anders, da die Schuldner oft Privatpersonen sind und ein Ausfallrisiko haben, welches sich im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld nicht unbedingt verbessern dürfte. 2008 lässt da grüßen.

In Bitcoin? Das spekulative Geld aus der Corona-Phase wurde mittlerweile brutal aus dem Markt gespült. Was übrig bleibt, ist immer noch ein funktionierendes Ökosystem, welches in den letzten zwei Jahren massive Fortschritte bei der Adaption und der Regulierung gemacht hat. In einem Szenario anhaltender Inflation und Unsicherheit dürfte Bitcoin langfristig nur attraktiver für die meisten Finanzmarktteilnehmer werden – für Leute in Schwellenländern – und seien wir ehrlich auch in Industrieländern – aus fundamentalen Gründen sowieso. Ein Umschwenken der Sichtweise auf Bitcoin im globalen Maßstab, weg von einem Risk-On-Asset und hin zu einem Risk-Off-Asset, da es das einzige nicht inflationierbare und dazu autonome Asset am Markt ist, ist kein ganz unrealistisches Szenario für die nächsten Jahre.

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Disclaimer auf Deutsch: Der Krypto-Sektor jenseits von Bitcoin ist ein verdammtes Casino. Einzelne Coins können zwar komplett durch die Decke gehen, das Risiko eines Totalverlustes ist jedoch auch an der Tagesordnung. Altcoins haben in den meisten Fällen nichts mit Investments zu tun, sondern sind viel mehr reine Spekulation. Wenn ihr am Casino-Tisch Platz nehmt, dann macht ihr das auf eigene Gefahr. Ich zeige hier, wie ich im Krypto-Sektor unterwegs bin und welche Strategien ich benutze, weil ich das Thema liebe und gerne darüber spreche. Ihr könnt mit den Informationen machen, was ihr wollt, ihr seid erwachsen – eine Empfehlung von meiner Seite ist es definitiv nicht. Ich empfehle gar nichts, jeder Mensch sollte eigene, auf ausführlicher Recherche, gesundem Menschenverstand und individueller Risikoabwägung basierende Entscheidungen darüber treffen, was man mit seinem eigenen Geld machen möchte.