An den Finanzmärkten – und vor allem im Krypto-Sektor – herrscht oft das Chaos und volatile Kursbewegungen ergeben ein undurchsichtiges Dickicht an Informationen, die schwer zu interpretieren sind. Es existieren jedoch einige Theorien und Modelle, die diese scheinbar willkürlichen Preisentwicklungen in leichter verständliche und erkennbare Muster einbetten – besonders, wenn man sich langfristigere Zeiträume anschaut. Hier sind die wichtigsten aufgelistet:
Angebot und Nachfrage
Das Fundament für die Preisbildung. Wenn die Nachfrage nach einer Kryptowährung steigt (z.B. aufgrund von positiven Nachrichten, Regulierung, Technologieentwicklungen) und das Angebot gleichbleibt oder sinkt, steigt der Preis.
Besonders bei Bitcoin besteht in diesem Zusammenhang eine Besonderheit, denn durch das sogenannte Halving wird die Neuerzeugungsrate von Bitcoin alle vier Jahre mit einer mathematischen Verlässlichkeit halbiert. Dadurch ist die Angebotsseite in der Rechnung eine Konstante, die sich langfristig positiv auf den Preis auswirkt.
Die Variable bleibt auf der Nachfrageseite bestehen, doch zumindest in seiner bisherigen Laufbahn konnte Bitcoin langfristig eine immer größere Nachfrage verzeichnen. Daher ist das Halving, bzw. die klar erkennbaren zyklischen Preismuster um dieses wiederkehrende Event herum das populärste Modell, wenn es um zukünftige Preisprognosen für Bitcoin geht.
Der „Everything Code“ oder auch: Zentralbank-Liquiditätszyklen
Gegenüber dem klassischen Konzept von Angebot und Nachfrage, dessen unverfälschte Wirkung sich vor allem in einem freien Markt entfalten kann, der nicht von einer zentralen Entität beeinflusst wird, steht die Theorie, dass die modernen Märkte vor allem durch die künstliche Liquidität der Zentralbanken beeinflusst werden.
Raoul Pal, ein ehemaliger Manager von Goldman Sachs und CEO sowie Gründer von RealVision, hat dieses Konzept in seiner Theorie des „Everything Codes“ für die Finanzmärkte skizziert, die besagt, dass viele Anlageklassen und Finanzmärkte inzwischen stark miteinander und mit der Liquiditätsentwicklung korrelieren.
Hier sind einige zentrale Punkte dieses Konzepts:
Zentralbanken und Liquidität: Nach der Finanzkrise von 2008 haben viele Zentralbanken weltweit extrem lockere Geldpolitiken verfolgt, um die Wirtschaft zu stimulieren. Dies geschah durch Instrumente wie Quantitative Easing (QE), bei dem Zentralbanken Vermögenswerte wie Staatsanleihen kaufen, um Geld in das Finanzsystem zu injizieren.
Korrelation verschiedener Anlageklassen: Durch diese Flut an Liquidität tendieren unterschiedliche Anlageklassen dazu, sich in ähnlicher Weise zu bewegen. Das heißt, ob es nun Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder Kryptowährungen sind – viele von ihnen sind positiv korreliert, vor allem in Zeiten, in denen Zentralbanken ihre Geldpolitik ändern.
Besonders gut erkennt man das an der Korrelation zwischen Bitcoin und den Aktienmärkten (hier repräsentiert durch den S&P 500):
Aber auch an der Korrelation zwischen Bitcoin und der jährlichen prozentualen Veränderung der Geldmenge – hier wird die direkte Korrelation mit den Liquiditätszyklen der Zentralbanken offensichtlich.
Risiko und Rendite: Mit der steigenden Liquidität wurde das „Suchen nach Rendite“ (Yield Chasing) zu einem prominenten Thema. Da traditionelle sichere Anlagen wie Staatsanleihen nur geringe Renditen boten, suchten Investoren nach riskanteren Anlagen, um höhere Renditen zu erzielen. Dies führte zu einer Verschiebung der Risikobereitschaft und zu einer erhöhten Korrelation zwischen Anlageklassen, die normalerweise nicht so stark miteinander in Beziehung stehen würden.
Vulnerabilität des Systems: Wenn alles miteinander korreliert ist, bedeutet dies, dass ein Schock in einem Bereich des Marktes sich leicht auf andere Bereiche ausbreiten kann. Das System wird anfälliger für externe Schocks und die Wahrscheinlichkeit von „Kaskadeneffekten“ steigt.
Rolle der Technologie und Algorithmen: Moderner Handel wird oft von Algorithmen und automatisierten Systemen dominiert. Diese können Muster erkennen und schnell auf Marktveränderungen reagieren, was die Korrelation zwischen verschiedenen Anlageklassen weiter verstärken kann, insbesondere in Zeiten von Marktstress.
Pal hat darauf hingewiesen, dass das Verständnis dieser Dynamik für Investoren wichtig ist, da es die Risikowahrnehmung und Portfoliostrategien beeinflussen sollte. Er hat oft betont, wie wichtig es ist, das „große Bild“ zu betrachten und zu verstehen, wie diese globalen Liquiditätsströme die Finanzmärkte beeinflussen.
Netzwerkeffekte oder „Metcalfe’s Law“
Metcalfe’s Law ist ein Konzept aus dem Bereich der Netzwerkanalyse und wurde nach Robert Metcalfe benannt, einem der Erfinder des Ethernet-Protokolls. Die Idee hinter dem Gesetz ist recht einfach, hat aber tiefe Auswirkungen auf unser Verständnis von Netzwerken und deren Wert.
Das Gesetz besagt: Der Wert eines Netzwerks ist proportional zum Quadrat der Anzahl seiner Benutzer.
In einfacheren Worten: Wenn ein Netzwerk wächst und mehr Benutzer gewinnt, steigt sein Wert überproportional. Dies liegt daran, dass die Anzahl der möglichen Verbindungen oder Interaktionen zwischen Benutzern in einem Netzwerk exponentiell mit der Anzahl der Benutzer steigt.
Zwei Beispiele zur Veranschaulichung:
Soziale Netzwerke: Der Wert von Plattformen wie Facebook oder Twitter steigt, wenn mehr Benutzer beitreten, weil es mehr Interaktionen und Verbindungen zwischen den Benutzern gibt. Ein soziales Netzwerk mit nur 10 Mitgliedern hat nicht annähernd den zehnfachen Wert eines Netzwerks mit einem Mitglied, sondern potenziell viel mehr, da die Anzahl der möglichen Interaktionen und Verbindungen exponentiell steigt.
Kommunikationsnetzwerke: Ein Telefonnetz mit nur zwei Telefonen ist ziemlich wertlos, da es nur eine mögliche Verbindung gibt. Aber wenn Tausende oder Millionen von Menschen an das Netzwerk angeschlossen sind, steigt der Wert des Netzwerks exponentiell.
Einige argumentieren, dass Metcalfe’s Law auch für Kryptowährungen wie Bitcoin gilt. Je mehr Benutzer und Akzeptanzstellen es gibt, desto wertvoller wird das Netzwerk. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Metcalfe’s Law eine Vereinfachung ist und nicht immer perfekt in der realen Welt funktioniert. Einige Kritiker argumentieren, dass andere Faktoren, wie die Qualität der Verbindungen oder Interaktionen, ebenso wichtig sein können wie die schiere Anzahl. Dennoch bietet das Gesetz eine nützliche Perspektive auf das Wachstum und den Wert von Netzwerken.
Die “Greater Fool Theory”
Gegenüber dem Konzept der Netzwerkeffekte, die darauf beruht, dass das Netzwerk durch seinen gebotenen Mehrwert eine immer größere Nutzung aufweist und dadurch exponentiell auch im Wert wächst, steht besonders im Zusammenhang mit Kryptowährungen wie Bitcoin die sogenannte „Greater Fool Theory“.
Die Theorie vom „größeren Narren“ beschreibt ein Investitionsverhalten, bei dem ein Investor einen Vermögenswert kauft, nicht unbedingt, weil er glaubt, dass dieser einen intrinsischen Wert hat, sondern weil er erwartet, den Vermögenswert später an einen „größeren Narren“ für einen höheren Preis verkaufen zu können. Im Krypto-Sektor wird dieses Phänomen auch gängig als „Numbers go up“ beschrieben.
Im Wesentlichen basiert diese Art des Investierens auf der Erwartung, dass unabhängig vom tatsächlichen Wert eines Vermögenswertes immer jemand (der „größere Narr“) bereit sein wird, einen höheren Preis zu zahlen.
Einige Hauptpunkte zur „Greater Fool Theory“:
Spekulative Blasen: Diese Theorie wird oft in Zusammenhang mit spekulativen Blasen gebracht, bei denen die Preise von Vermögenswerten weit über deren intrinsischen Wert steigen. Beispiele hierfür sind die Tulpenmanie im 17. Jahrhundert in Holland oder die Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre.
Emotionale Entscheidungsfindung: Anstatt auf fundierte Analysen oder den eigentlichen Wert eines Vermögenswertes zu basieren, handeln Investoren nach dieser Theorie aus Gier, Hoffnung und manchmal auch aus Angst, eine Chance zu verpassen (FOMO – Fear Of Missing Out).
Risiken: Obwohl einige Investoren kurzfristig von einem solchen Verhalten profitieren können, birgt die „Greater Fool Theory“ erhebliche Risiken. Wenn die Preise fallen und keine „größeren Narren“ mehr vorhanden sind, um zu höheren Preisen zu kaufen, können die Investoren erhebliche Verluste erleiden.
Kritik am Markt: Die Theorie stellt die Effizienz von Märkten in Frage, da sie darauf hinweist, dass Preise nicht immer den tatsächlichen Wert eines Vermögenswertes widerspiegeln, sondern stattdessen von den kollektiven Emotionen und Erwartungen der Marktteilnehmer beeinflusst werden können. Daher steht diese Theorie auch im Gegensatz zur Hypothese des effizienten Marktes und eher im Einklang mit dem Konzept der Behavioral Finance.
Effiziente Markt Hypothese
Die „Effiziente Markt Hypothese“ (EMH) besagt, dass die Preise von Vermögenswerten zu jedem gegebenen Zeitpunkt alle verfügbaren Informationen widerspiegeln und deshalb stets den „wahren“ Wert des Vermögenswertes darstellen. In einem solchen Markt ist es theoretisch nicht möglich, systematisch überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, außer durch Zufall oder durch den Erwerb von Insiderinformationen.
Die EMH wird in drei Formen unterteilt:
Schwache Form: In dieser Form besagt die EMH, dass alle vergangenen Marktpreise bereits in den aktuellen Preisen enthalten sind. Das bedeutet, dass die Analyse vergangener Kursdaten (technische Analyse) nicht dazu genutzt werden kann, um Überrenditen zu erzielen, da alle Informationen aus der Vergangenheit bereits in den aktuellen Preisen reflektiert sind.
Halbstarke Form: Hier wird angenommen, dass alle öffentlich verfügbaren Informationen bereits in den Preisen enthalten sind. Das schließt sowohl historische Preise als auch andere öffentliche Daten (z. B. Bilanzen, Nachrichten) mit ein. Dies bedeutet, dass weder technische noch fundamentale Analyse (die Analyse von Geschäftsberichten, Branchennachrichten etc.) einen Anleger in die Lage versetzen würden, Überrenditen zu erzielen.
Starke Form: In dieser Form wird angenommen, dass alle Informationen, sowohl öffentliche als auch private (Insiderinformationen), bereits in den Preisen enthalten sind. Wenn die Märkte tatsächlich in dieser Form effizient wären, dann könnten selbst Insider keine Überrenditen erzielen.
Wichtige Überlegungen zur Effizienten Markt Hypothese:
Kritik und Grenzen: Die EMH ist umstritten und wird nicht universell akzeptiert. Es gibt zahlreiche empirische Studien, die sowohl für als auch gegen die Hypothese sprechen. Einige Anleger, wie z.B. Warren Buffett, haben argumentiert, dass ihre Erfolge im Markt Beweise gegen die starke Form der EMH sind.
Bedeutung für Investoren: Wenn die EMH zutrifft, dann wäre das ständige Umschichten eines Portfolios (z. B. durch aktives Handeln) wenig sinnvoll, da es schwer bis unmöglich wäre, den Markt konsequent zu schlagen. Dies würde für Anlagestrategien wie den Kauf von Indexfonds sprechen, die einfach versuchen, den Markt als Ganzes nachzubilden.
Verhaltensfinanz: Die Verhaltensfinanz (Behavioral Finance) stellt einen Gegenpol zur EMH dar und untersucht, wie psychologische Faktoren das Verhalten von Investoren und damit auch die Marktpreise beeinflussen.
Behavioral Finance (Verhaltensökonomie im Finanzbereich)
„Behavioral Finance“ ist ein Modell, welches die psychologischen Prozesse von Investoren und deren Auswirkungen auf die Finanzmärkte beschreibt. Im Kern geht es darum zu verstehen, wie individuelle und kollektive psychologische Faktoren das Finanzverhalten beeinflussen und wie diese Faktoren zu Marktineffizienzen führen können.
Im Gegensatz zur Hypothese des effizienten Marktes, die von stets rational handelnden Marktteilnehmern ausgeht, erkennt Behavioral Finance an, dass Menschen in der Realität oft nicht perfekt rational handeln und stattdessen von einer Vielzahl kognitiver und emotionaler Faktoren beeinflusst werden.
Einige zentrale Konzepte und Erkenntnisse der Behavioral Finance sind:
Kognitive Verzerrungen: Dies sind systematische Fehler im Denken, die Menschen dazu bringen, irrationale Entscheidungen zu treffen. Beispiele sind:
- Anker-Effekt: Menschen neigen dazu, sich an eine anfängliche Information oder Zahl (den „Anker“) zu klammern und ihre nachfolgenden Entscheidungen darauf zu basieren.
- Bestätigungsfehler: Menschen suchen und beachten bevorzugt Informationen, die ihre bestehenden Meinungen bestätigen.
- Heuristiken: Dies sind mentale Abkürzungen oder „Daumenregeln“, die Menschen verwenden, um komplexe Probleme zu vereinfachen und schnellere Entscheidungen zu treffen. Sie können jedoch zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen.
Verfügbarkeitsheuristik: Menschen neigen dazu, ihre Entscheidungen auf Informationen zu basieren, die leicht verfügbar oder erinnerbar sind.
Emotionale Faktoren: Gefühle wie Gier, Angst oder Übermut können die Entscheidungsfindung beeinflussen und zu irrationalen Handlungen führen.
Herdenverhalten: Investoren tendieren dazu, den Handlungen anderer zu folgen, auch wenn diese Handlungen nicht unbedingt in ihrem besten Interesse sind. Dies kann zu Blasen und Crashs auf den Märkten führen.
Overconfidence (Übermut): Einige Investoren überschätzen ihre Fähigkeiten oder Informationen und handeln riskanter als sie sollten.
Verlustaversion: Menschen empfinden den Schmerz von Verlusten oft intensiver als das Vergnügen von Gewinnen, was zu risikoscheuem Verhalten führen kann, besonders wenn sie kürzliche Verluste erlitten haben.
Mental Accounting (Mentale Buchführung): Menschen neigen dazu, Geld in verschiedene „Töpfe“ zu teilen (z.B. Spar-, Urlaubs- oder Spielgeld) und behandeln Geld unterschiedlich, je nachdem, welchem „Topf“ es zugewiesen wird.
Der wohl bekannteste Chart, die die emotionale Seite der Marktteilnehmer widerspiegelt, ist dieser:
Er symbolisiert die klassischen Phasen einer Blase, die sich – durch Emotionen getrieben – an den Märkten ausspielen kann.
Die Komplexität der Märkte
Neben den genannten Modellen und Theorien gibt es noch viele weitere Faktoren, die sich auf die Preisentwicklung an den Finanzmärkten auswirken, die jedoch nicht so eng in das Korsett einer einzelnen Theorie passen. Zum einen gibt es diverse externe Faktoren, darunter besonders makroökonomische Faktoren, wie die wirtschaftliche Entwicklung, die Geldpolitik, Regulatorik, technische Durchbrüche oder auch geopolitische Veränderungen. Zum anderen haben auch Dinge wie die fundamentale Analyse oder die Charttechnik einen großen Einfluss auf die Bewertung von Vermögenswerten.
Die Preisentwicklung an den Märkten ist eine Kombination aus allen genannten Faktoren. Es ist möglich, anhand der beschriebenen Modelle gewisse Tendenzen zu erkennen. Das gilt vor allem für langfristigere Zeiträume. Trotzdem bleiben die Märkte von Natur aus unvorhersehbar – das gilt vor allem für kurzfristige Zeitfenster.
Denkt immer langfristig!
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Disclaimer: Die Inhalte dieses Artikels dienen ausschließlich der Information und stellen weder eine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar noch sind sie als Zusicherung etwaiger Kursentwicklungen zu verstehen. Sie ersetzen nicht die selbständige, sorgfältige Prüfung und eingehende Analyse des Investments (Due Diligence), sowohl in Bezug auf seine Chancen als auch auf seine Risiken und ihre persönliche Tragbarkeit. Die Informationen stellen ausdrücklich keine Aufforderung zum Kauf, Halten oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder anderen Anlageprodukten dar. Die geäußerten Ansichten geben allein die Meinung des Autors wieder. Weder der Autor noch decentralist.de haften für Verluste oder Schäden irgendwelcher Art, die im Zusammenhang mit dem Inhalt des Artikels oder einem auf der Grundlage der darin enthaltenen Informationen getätigten Investment stehen.