Hat Bitcoin als Inflationsschutz versagt?

In den letzten Jahren hat Bitcoin einen Reifeprozess durchlaufen und sich einen Platz als ernstzunehmende Assetklasse auch in der traditionellen Finanzwelt erkämpft. Aufgrund der limitierten Skalierung ist Bitcoin immer noch weit davon entfernt, tatsächlich als Zahlungssystem verwendet werden zu können, jedoch hat sich das Argument für Bitcoin als alternativer Wertspeicher und Inflationsschutz herausgebildet.

Bitcoin ist in seiner Beschaffenheit Gold sehr ähnlich, da die Kryptowährung eine maximale Menge hat und damit sogar seltener ist als Gold. Durch seine technologischen Eigenschaften eliminiert Bitcoin zudem die Limitierungen von Gold in Sachen Transport, Aufbewahrung und Konfiszierbarkeit.

Nach der heftigen Korrektur seit dem Jahreswechsel, die Bitcoin zusammen mit den Aktienmärkten in den Keller geschickt hat, ist das Argument des Inflationsschutzes jedoch schwer angeknackst. Während die Verbraucherpreise in aller Welt immer weiter in die Höhe schießen, musste der Bitcoin-Kurs einen erheblichen Tribut zollen.

Zur Veranschaulichung ist hier der Bitcoin-Kurs der Entwicklung der Verbraucherpreisdaten in den USA entgegengestellt, die in den letzten Monaten auf ein Hoch seit 40 Jahren geklettert sind. Während Bitcoin den steigenden Verbraucherpreisen vorweg eine Rally gestartet hat, entwickelt sich der Preis spätestens seit dem Jahreswechsel 2021/22 gegenläufig zur Inflationsentwicklung.

Was bedeutet Inflation überhaupt?

Meiner persönlichen Meinung nach hat Bitcoin jedoch nicht als Inflationsschutz versagt. Zum besseren Verständnis sollte man sich zunächst einmal anschauen, was Inflation überhaupt ist. Viele denken irrtümlich, dass damit lediglich die steigenden Preise gemeint sind. Das ist jedoch nicht ganz richtig. Inflation beschreibt im Endeffekt das Ungleichgewicht zwischen der Geldmenge und dem Handelsbedarf innerhalb einer Wirtschaft.

Wenn die Geldmenge zu groß für die verfügbaren Produkte und Dienstleistungen ist, verliert das Geld an Kaufkraft, bzw. die Preise der Produkte und Dienstleistungen steigen. Damit es zu einer stark steigenden Inflationsrate der Verbraucherpreise kommen kann, braucht es also nicht nur einen wirtschaftlichen Trigger, wie beispielsweise die Lieferengpässe, die durch die Corona-Pandemie verursacht worden sind, sondern die Geldmenge muss zudem über einen sinnvollen Punkt hinaus ausgeweitet sein.

Dieser Chart zeigt die in US-Dollar bemessene Geldmenge M2. Es gibt verschiedene Geldmengendefinitionen, darunter das laufende Bargeld und die Spareinlagen von Bankkunden – das ist die Geldmenge M1. M2 setzt sich aus M1 + festverzinslichen Wertpapieren mit kurzfristiger Laufzeit zusammen, also Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten. M3 enthält die Geldmenge M2 + langfristige Einlagen. Die Geldpolitik der Notenbanken hat erheblichen Einfluss vor allem auf die Geldmenge M2.

Wie im Chart zu sehen, wurde die Geldmenge M2 im Zuge der Pandemie extrem ausgeweitet, um die Wirtschaft gegen die negativen Folgen der Lockdowns abzufedern. Das Fundament für steigende Verbraucher- und Rohstoffpreise wurde hier also gelegt.

Bitcoin vs M2

Während Bitcoin im Vergleich mit den Verbraucherpreisen scheinbar vorwegläuft und damit nicht direkt auf deren Steigerung reagiert, sieht das bei der Entwicklung der Geldmenge M2 anders aus:

Wie man sieht, hat Bitcoin nach der initialen Lockerung der Geldpolitik in der Anfangsphase der Pandemie mit etwas Verzögerung reagiert und einen massiven Bullrun gestartet – im Einklang mit den Aktienmärkten.

Die Ausweitung der Geldmenge hat sich zunächst also vor allem auf die Finanzmärkte ausgewirkt. Die Finanzmärkte stehen den Notenbanken am nächsten, bzw. sind die Infrastruktur, über die die Zentralbanken ihre Maßnahmen ausführen. Grob gesagt haben sie Geld gedruckt, um Firmen und Privatpersonen für den negativen Folgen der Lockdowns, bzw. des wirtschaftlichen Stillstands zu schützen.

Das funktioniert jedoch nicht besonders präzise, sondern passiert sehr indirekt – über Anleihenkäufe, Zinssenkungen und damit einhergehenden billigeren Krediten und durch Hilfspakete der Regierungen, die das Geld teilweise durch Schuldenaufnahme über Anleiheausgaben erhalten – die dann von der Zentralbank gekauft werden. Das Geld fällt also zunächst breit gestreut in die Finanzmärkte und bleibt dort größtenteils „stecken“. Die Folge ist eine „Inflation“ von Vermögenswerten.

Warum ist Bitcoin wieder gefallen?

 Wenn man sich den M2-Chart anschaut, sieht man, dass die Geldmenge bisher nicht wirklich zurückgegangen ist, sondern lediglich stagniert, da die US-Notenbank, die EZB und so weiter kein neues Geld mehr in den Markt pumpen. Warum ist Bitcoin dann also gefallen?

Mit extremer Verzögerung hat sich die Geldmengenausweitung mittlerweile auch auf die Rohstoff- und Verbraucherpreise ausgewirkt. Die Trigger, die die Geldmenge auf die Realwirtschaft „losgelassen“ haben, waren eine Kombination aus einer steigenden Nachfrage – weil die Lockdowns aufgehoben wurden – und einem extrem verringerten Angebot – weil die Wirtschaft runtergefahren war und es lange dauert, bis alles wieder im Normalzustand funktioniert, bzw. weil die globalen Lieferketten teilweise erhebliche Schäden davongetragen haben.

Kurz gesagt: Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage gleich Entfesselung der Verbraucherpreisinflation.

Da die Inflation nun in der Realwirtschaft angekommen ist und Unternehmen wie Privatpersonen beutelt, sind die Notenbanken gezwungen zu handeln und die Inflation zu bekämpfen. Das machen sie, indem sie die Zinsen erhöhen und versuchen, die Geldmenge zu verringern. Die US-Notenbank Federal Reserve hat damit bereits angefangen.

Auf diesem Chart zu sehen ist das Fed Balance Sheet, also die ganzen Anleihen und anderen Wertpapiere, die die Fed gekauft hat. Bereits seitdem die Fed nur angekündigt hat, ihre Geldpolitik zu straffen – das war um die Jahreswende herum – ist an den Finanzmärkten Panik ausgebrochen und die Korrektur gestartet.

Steigende Zinsen und ein Ende der künstlichen Liquidität bedeuten im Endeffekt ein Ende der Party an den Finanzmärkten, da es kein „kostenloses“ Kapital mehr gibt. Darunter hat auch Bitcoin stark gelitten, da im Zuge der Geldmengenausweitung nicht nur Kapital aus fundamentalen Gründen in Bitcoin geflossen ist, sondern eben auch eine Menge spekulatives Geld. Grob gesagt: Es war so viel Geld da, irgendwo „musste“ es eben hin.

Im Chart sieht man, dass Bitcoin (ebenso wie die restlichen Finanzmärkte) eingebrochen ist, sobald die Fed signalisiert hatte, dass sie ihre Geldpolitik straffen wird.

Hat Bitcoin als Inflationsschutz versagt?

Bitcoin hat also nicht auf den Anstieg der Verbraucherpreise reagiert, sondern auf die Geldmengenausweitung. Man kann nun argumentieren, ob Bitcoin als Inflationsschutz versagt hat, da die Geldmenge immer noch viel höher ist als vor der Pandemie, Bitcoin jedoch wieder abgestürzt ist.

Rein preislich gesehen notiert Bitcoin immer noch auf einem mehr als doppelt so hohem Niveau wie vor der Pandemie, heißt also, während staatliche Währungen, gemessen an diesem Zeitpunkt, laufend und immer schneller an Kaufkraft verloren haben, ist die in Bitcoin gespeicherte Kaufkraft immer noch wesentlich höher als vor der Pandemie und der Geldmengenausweitung.

Es ist für jeden individuellen Investor natürlich eine Frage des Einstiegszeitpunkts. Wer im Peak 2021 investiert hat, der konnte seine Kaufkraft mit Bitcoin natürlich nicht erhalten. Hier gilt wie immer beim Investieren: Je langfristiger der Zeithorizont, desto besser.

Meiner Meinung nach hat Bitcoin seinen Status als Inflationsschutz nicht verloren, im Gegenteil: Er hat im Zuge der Geldmengenausweitung genau das gemacht, was er soll. Das sieht man gut, wenn man den Preis in Relation mit der jährlichen prozentualen Veränderung der Geldmenge setzt:

BTC einmal mit absoluten Preis-Daten und einmal mit YoY% Vergleich

Hier sieht man, dass Bitcoin sich relativ im Einklang mit der Veränderung der Geldmenge bewegt. Da wir uns nun in einer Phase der geldpolitischen Straffung bewegen, ist klar, dass auch der Bitcoin-Preis zusammen mit der Geldmenge sinkt.

Wie ist der Ausblick?

Die Frage wird sein, wie weit die Notenbanken die geldpolitische Straffung treiben können, ohne die Wirtschaft komplett in den Abgrund zu treiben. Die Zeichen für eine globale Rezession mehren sich. Die Inflationsrate ist ein hinterherhinkender Indikator.

Sobald die Wirtschaft einmal in eine ausgewachsene Rezession gefallen ist, wird sich die Inflation wahrscheinlich wieder abflachen, da die Nachfrage aufgrund des finanziellen Drucks vieler Menschen stark sinken wird. Das wird den Zentralbanken ermöglichen, die Zügel wieder lockerer zu ziehen. Das öffnet wiederum Tür und Tor dafür, dass Bitcoin erneut steigen kann.

Fundamental gesehen befindet sich das derzeitige Finanzsystem spätestens seit der Finanzkrise 2008 in einer Sackgasse. Die Wirtschaft hängt komplett am Tropf der Notenbanken und der Markt ist im Klammergriff der geldpolitischen Schritte. Langfristig kann Bitcoin nicht nur als Inflationsschutz gegen diese immer instabiler werdende Geldpolitik auftreten, sondern sich sogar als komplett alternatives System etablieren, da Bitcoin keine Zentralbanken braucht, sondern autonom existiert und in sich selbst ein stabiles, nicht von Vertrauen in eine zentrale Steuerung abhängiges System ist.

Weitere Infos:

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Disclaimer auf Deutsch: Der Krypto-Sektor jenseits von Bitcoin ist ein verdammtes Casino. Einzelne Coins können zwar komplett durch die Decke gehen, das Risiko eines Totalverlustes ist jedoch auch an der Tagesordnung. Altcoins haben in den meisten Fällen nichts mit Investments zu tun, sondern sind viel mehr reine Spekulation. Wenn ihr am Casino-Tisch Platz nehmt, dann macht ihr das auf eigene Gefahr. Ich zeige hier, wie ich im Krypto-Sektor unterwegs bin und welche Strategien ich benutze, weil ich das Thema liebe und gerne darüber spreche. Ihr könnt mit den Informationen machen, was ihr wollt, ihr seid erwachsen – eine Empfehlung von meiner Seite ist es definitiv nicht. Ich empfehle gar nichts, jeder Mensch sollte eigene, auf ausführlicher Recherche, gesundem Menschenverstand und individueller Risikoabwägung basierende Entscheidungen darüber treffen, was man mit seinem eigenen Geld machen möchte.