Das Bankenbeben in den USA Ende letzter Woche hat auch an den Anleihemärkten große Spuren hinterlassen, denn die nun zum Vorschein getretenen Risse im Bankensystem haben für einen erheblichen Stimmungsumschwung an den Märkten gesorgt. Jetzt rechnet ein Großteil der Marktteilnehmer damit, dass die Fed bald eine 180 Gradwende machen muss, um die Finanzmärkte nicht nachhaltig zu beschädigen.
Während Aktien – vor allem der Banken-Sektor – unter starken Abverkäufen gelitten haben, gab es wahre Fluchtbewegungen der Investoren in Staatsanleihen. Das hat die Kurse der Anleihen nach oben und die Zinsen der Anleihen entsprechend nach unten gejagt. Vor allem die 2-jährigen US-Treasuries haben historische Kursbewegungen verzeichnet: Die Rendite der US2Y-Treasuries ist zwischenzeitlich um 100 Basispunkte – also einen ganzen Prozentpunkt – in den Keller gerauscht.
Für Anleihen sind das extreme Kursbewegungen. Nicht einmal während der Finanzkrise 2008 oder bei den Angriffen auf das World Trade Center 2001 gab es an einem einzigen Tag so eine heftige Kursbewegung an den Anleihemärkten. Man muss bis auf den „schwarzen Montag“ während des Börsencrashs im Jahr 1987 zurückzoomen, um eine ähnlich heftige Bewegung zu finden.
Die Anleihemärkte schreien seit Monaten ihre Warnung heraus – inverse Zinskurve erklärt
Ein übergeordneter Blick auf die Anleihemärkte zeigt, dass diese schon seit Monaten ihre Warnung einer drohenden Rezession hinausschreien. Anfang Juli 2022 hat sich die Zinskurve an den US-Anleihemärkten invertiert. Das ist ein historisch todsicheres Signal dafür, dass in den darauffolgenden Monaten eine Rezession folgen wird.
Die Form der Zinskurve ist also eine Schlüsselkennzahl. Was ist die Zinskurve und wie kann man sie lesen? Das US-Finanzministerium finanziert die Haushaltsverpflichtungen der Bundesregierung durch die Ausgabe verschiedener Formen von Schuldtiteln. Der 23 Billionen US-Dollar schwere Treasury Market umfasst Anleihen mit Laufzeiten von einem Monat, einem Jahr, zwei Jahren, 10 Jahren, 20-, bis hin zu 30-Jahren. Die Zinskurve symbolisiert dabei den Zinsabwurf aller Staatsanleihen.
In einem gesunden Marktumfeld neigt sich die Kurve nach oben, weil die Käufer dieser Anleihen für längere Laufzeiten eine höhere Entschädigung erwarten, da mehr zukünftiges Risiko sowie die Inflationsentwicklung über diese Jahre mit einkalkuliert wird. Heißt, die länger laufenden Anleihen sollten höhere Zinsen abwerfen als Anleihen mit kurzen Laufzeiten. Die Zinsen bewegen sich dabei umgekehrt zu den Kursen dieser Anleihen.
Anhand der übergeordneten Zinskurve kann man die Erwartung des Marktes an die zukünftige Wirtschaftsentwicklung ableiten: Eine steilere Kurve signalisiert typischerweise Erwartungen einer stärkeren wirtschaftlichen Aktivität, einer höheren Inflation und höherer Zinssätze. Eine abflachende Kurve signalisiert das Gegenteil: Der Markt erwartet kurzfristig Zinserhöhungen und sieht besondere Risiken für die Wachstumsaussichten der Wirtschaft.
Die Zinskurve ist nun so stark invertiert wie lange nicht
Im Sommer ist genau dieser Fall eingetroffen: Die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen sind stark angezogen, weil der Markt eine Reihe von Zinserhöhungen durch die Fed erwartet – als Maßnahme gegen die steigende Inflation. Die Zinsen langfristiger Staatsanleihen sind wesentlich langsamer gestiegen, da der Markt mit mehr langfristigem Gegenwind für die Wirtschaft rechnet. Die Kurve hat sich invertiert und ist durch die monatelange geldpolitische Straffung mittlerweile so stark invertiert wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Dieser Indikator ist so wichtig, weil er in den vergangenen Jahrzehnten zuverlässig eine wirtschaftliche Rezession signalisiert hat, die zwischen sechs und 24 Monaten nach dem Signal eingetroffen ist.
Die letzten drei großen Rezessionen in den USA sind eingetreten, kurz nachdem die Invertierung der Zinskurve sich wieder aufgehoben hatte, wie oben im Chart zu sehen. Die „Mini-Invertierung“ und die „Mini-Rezession“ durch den Corona-Schock sind dabei ein Sonderfall, den man nicht wirklich mitzählen kann, erfüllen jedoch ebenfalls die Kriterien.
Was bedeutet das für die Märkte?
Im Endeffekt zeigt die Zinskurve mit diesen Bewegungen immer denselben Effekt: Die Federal Reserve folgt solange ihrem Pfad der geldpolitischen Straffung, bis etwas an den Märkten zerbricht – und die Quittung muss in Form einer heftigen Rezession gezahlt werden. Die Gefahr besteht nun, dass dies auch diesmal eintreffen wird. Angst macht dabei nur das Ausmaß, wie tief und wie lange die Zinskurve in die Invertierung getrieben wurde. Das könnte ein Parameter dafür sein, wie heftig die Quittung ausfallen wird.
Für Bitcoin, genauso wie für die übergeordneten Finanzmärkte, bedeutet das kurzfristig eine Menge Volatilität. Langfristig stärkt das jedoch nur den Investmentcase für Bitcoin. Denn es wird offensichtlich, wie fragil das Bankensystem ist und dass Bitcoin als autonomer Wertspeicher und langfristiger Ersatz für das derzeitige Geldsystem dringend notwendig ist.
Geleichzeitig bedeutet dieses Signal der Zinskurve, dass eine 180-Gradwende der Fed immer wahrscheinlicher wird, denn um einen systemischen Zusammenbruch der Märkte oder des Bankensystems zu verhindern, wird sie gezwungen sein, Liquidität ins System zu spülen. Das kann bullisch für Assets wie Aktien aber auch Kryptowährungen sein, da die viele neue Liquidität, die von den Zentralbanken freigegeben wird, zuallererst in die Märkte fließt und die Kurse steigen lässt.
Die dafür nötige Bazooka hat die Fed bereits mit Munition aufgeladen. Letztes Wochenende haben sie dem Markt ein neues Werkzeug zur Verfügung gestellt, dass es Geschäftsbanken erlaubt, ihre nun als riesige unrealisierte Verluste in ihren Balancesheets steckenden Staatsanleihen zu 100% des in den Anleihen insgesamt involvierten Kapitals als Collateral für neue Reserven bei der Notenbank zu hinterlegen. Laut Prognosen der US-Bank JPMorgan könnten dadurch insgesamt zwei Billionen Dollar an Liquidität in die Märkte gepumpt werden. Und wie das Balancesheet der Fed zeigt, hat dieser Vorgang bereits begonnen.
Allerdings wird eine ausbrechende Rezession, oder gar ein Blackswan-Event wie die Corona-Pandemie – oder in diesem Fall das passendere Beispiel der Finanzkrise 2008 – wahrscheinlich zunächst erheblichen Tribut von den Märkten verlangen.
Bitcoin bleibt aufgrund seiner potenziell nun stark in den Vordergrund getretenen Rolle als Antithese zum Bankensystem und komplett autonomer Wertspeicher eine Wildcard. Dazu folgt in Kürze eine detaillierte Analyse von mir, die sich mit den verschiedenen möglichen Bitcoin-Kursszenarios beschäftigen wird, falls wir eine solche Entwicklung an den Finanzmärkten sehen werden.
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