Die meisten Zentralbanken auf dieser Welt arbeiten bereits seit längerem an digitalen Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies – CBDCs). China hat seinen E-Yuan bereits teilweise in Umlauf gebracht, die digitale Rupie in Indien soll bis nächstes Jahr kommen, die europäische Zentralbank arbeitet an einem digitalen Euro und auch die US-Notenbank-Federal Reserve hat bereits Tests für einen digitalen Dollar durchgeführt.
Die offizielle Begründung der Zentralbanken für eine mögliche Einführung von CBDCs lautet, dass man mit den technologischen Fortschritten mithalten und die staatlichen Währungen entsprechend konkurrenzfähig machen und an die digitaler werdende Welt anpassen muss. Dieses Argument ist durchaus valide, allerdings dürfte der wahre Nutzen von CBDCs für die Währungshüter deutlich pragmatischer sein.
Das Bankensystem ist in einer Sackgasse – CBDCs könnten ein Ausweg für die Zentralbanken sein
Die Finanzwelt ist bekanntlich spätestens seit der Finanzkrise 2008 – gelinde gesagt – etwas wacklig auf den Beinen und ist mehr und mehr von der Liquidität der Zentralbanken abhängig, damit das ganze System nicht in sich zusammenbricht. Die Gelderzeugung über neue Kredite und der Geldfluss innerhalb der Wirtschaft läuft über die Geschäftsbanken. Diese befinden sich jedoch aufgrund des nun schon seit einigen Jahrzehnten existierenden Fractional-Reserve-Bankings, sowie eines auf immer neuen Schulden beruhenden und zunehmend aufgeblähten Systems in einer immer gefährlicheren Position.
Im Kern kann das derzeitige System nur weiter existieren, wenn es immer weiter mit Liquidität aufgebläht wird. Dadurch steigen die Preise von Assets an den Finanzmärkten, die als Deckung für die Schulden im System dienen. Und das ist auch notwendig, denn die Schulden werden immer höher, da immer mehr Kredite aufgenommen werden müssen, um das Wirtschaftssystem am Laufen zu halten.
Wenn jedoch Sand ins Getriebe rutscht und sich Widerstände ergeben, die diesem Kreislauf des endlosen Wachstums im Weg stehen, dann wird es problematisch. Zuletzt hat die Corona-Pandemie neuen Sand ins Getriebe geschüttet. Das Ergebnis war eine ausufernde Inflation, die von den Zentralbanken bekämpft werden muss. Die Behandlung – höhere Zinsen und ein Rückzug der künstlichen Notenbank-Liquidität – tut den Geschäftsbanken als Grundinfrastruktur für die Finanzwelt und den globalen Geldfluss jedoch gar nicht gut. Man könnte sagen, die Geschäftsbanken sind das schwache Glied in dem Kreislauf aus wachsenden Schulden und wachsenden Vermögenspreisen als Collateral, um die Schulden weiterhin bedienen zu können.
CBDCs könnten es den Zentralbanken letzten Endes ermöglichen, die Geschäftsbanken als problematischen Baustein in der Kette herauszunehmen. Bisher agiert die Zentralbank nur indirekt mit der Wirtschaft und Finanzwelt und nutzt die Geschäftsbanken als Brücke, um die Liquidität ans Ziel zu bringen. Eine CBDC würde es jedoch ermöglichen, das Geldsystem komplett in die Zentralbank zu verlagern. Eine Zentralbank als Herausgeber des Geldes und von Krediten und so weiter kann niemals pleitegehen. Das Problem mit den Geschäftsbanken wäre also eliminiert.
Eine CBDC hat nichts mit Kryptowährungen zu tun
Man darf das nicht falsch verstehen: eine CBDC ist kein Coin wie Bitcoin. Es ist auch kein zentral gesteuerter Coin auf einer internen Blockchain, der wirklich als virtueller Vermögenswert vorhanden sein würde. Im Endeffekt wurde es genauso funktionieren, wie das derzeitige Fiat-Geld. Es wären nur Eintragungen in den zentralen Registern einer Bank. Nur wäre eine CBDC nicht verteilt auf viele, privat geführte und im Wirtschaftssystem agierende, Geschäftsbanken, sondern eine CBDC würde direkt in den Systemen der Zentralbank verwaltet werden.
In Kombination mit einer Abschaffung von Bargeld hätte man dann eine Form von Geld, die endgültig unter der Kontrolle einer einzigen Entität stünde – der Zentralbank. Das hätte viele Vorteile: Die Zentralbank könnte den Geldfluss noch viel effizienter steuern und Kredite ganz gezielt vergeben. Man könnte schnell und effizient Geld ganz genau dahin fließen lassen, wo es dringend gebraucht würde. Die Zentralbank könnte zudem niemals pleitegehen, denn sie ist der Ursprung des Geldes. Immer wenn Geld benötigt wird, könnte sie es erzeugen. Bankenkrisen wie 2008 oder auch die jüngsten Vorfälle wären nicht mehr möglich. Bankruns wären nicht mehr möglich. Es gäbe keine Geschäftsbank mehr, von der man das Geld abziehen könnte. Das Geld existiert in diesem Fall nur noch durch die Zentralbank und innerhalb ihrer Datenbanken. Auch die Inflation könnte man viel effizienter steuern, da man direkten Einfluss auf die Geldflüsse hätte.
Ein Szenario, dass wirklich niemand will – außer vielleicht die Zentralbanken
Natürlich wäre das ein absolut dystopisches Szenario, denn das würde endlose Möglichkeiten der Kontrolle für die Verwalter der Zentralbank mit sich führen. Das Geld wäre komplett steuerbar und programmierbar. Die Konten der Geld-Nutzer stünden unter der direkten Kontrolle der Zentralbank. Im Zweifel könnte eine Zentralbank so entscheiden, wofür das Geld ausgegeben kann und wofür nicht. Das würde eine Menge Spielraum für Konzepte wie ein Social Credit System (wie wir es aus China kennen), ein CO2 Credit System, und ganz allgemein massive Einschränkungen für die Gesamtbevölkerung geben. Vielleicht um Dinge wie die Inflation zu bekämpfen, aber im Zweifel auch um politische Interessen durchzusetzen.
Ich argumentiere nicht, dass dies dann auch so von den Zentralbanken und Regierungen gehandhabt werden würde. Doch allein die Möglichkeit einer solchen Kontrolle des Geldes darf in einer Demokratie nicht existieren. Verlockend wäre ein solches Geldsystem für die Regierungen und Zentralbanken aber trotzdem, denn es würde die großen unmittelbaren Krisen und Probleme innerhalb der Finanzwelt wahrscheinlich lösen.
Und dass die Zentralbanken in der Versuchung sind, genau so etwas einzuführen, sieht man anhand der in vielen Fällen bereits existierenden Prototypen, Testläufe und Konzepte, die von den Zentralbanken bereits aufgestellt werden.
Der digitale Dollar könnte schneller kommen als man denkt
In den USA wurde bereits vor Jahren das Fundament für ein solches System gelegt. Im Jahr 2019 hat die US-Notenbank Federal Reserve ein neues Zahlungsnetzwerk angekündigt, welches sofortige Zahlungen zu jedem Zeitpunkt möglich machen soll. Das sogenannte FedNow-Netzwerk. Dieses Netzwerk soll es mehr als 10.000 Finanzinstitutionen in den USA ermöglichen, Zahlungen sofort und auch am Wochenende oder in der Nacht zu tätigen. Es wäre das erste von einer Regierung aufgebaute System dieser Art. FedNow soll im Sommer diesen Jahres starten (wahrscheinlich im Juli).
Wie funktioniert das System? Es wird eine Clearing-Stelle für Transaktionen von allen Finanzinstituten, die Teil des Fed-Netzwerks sind. Der Hauptunterschied zwischen diesem Service und dem aktuellen System der Fed besteht darin, dass FedNow rund um die Uhr online sein und Transaktionen in Echtzeit verarbeiten wird. Dieses Netzwerk liefert im Grunde das Fundament für das oben beschriebene Szenario einer CBDC, die nur noch über die Zentralbank – in diesem Fall die Federal Reserve – läuft.
Bis jetzt ist es der Federal Reserve laut US-Gesetz verboten, direkte Geschäfte mit privaten Wirtschaftsteilnehmern außer Banken zu tätigen. Eine CBDC wäre also in dem Sinne bisher illegal, da Privatleute ein Konto bei der Fed haben müssten, um eine CBDC nutzen zu können. Doch Gesetze können geändert werden und vor allem eine Bankenkrise könnte ein willkommenes Argument sein, um eine entsprechende Gesetzesänderung vorzunehmen.
Das würde wahrscheinlich das Ende von kleineren Regionalbanken bedeuten, da sie im Grunde überflüssig werden würden. Lediglich die großen Player hätten dann noch eine Daseinsberechtigung, da internationale Geldflüsse, sowie der Handel mit Aktien, Derivaten und anderen Finanzprodukten ja weiterhin existieren würden.
Wie wahrscheinlich sind ein digitaler Dollar und andere CBDCs wirklich?
Dass die Zentralbanken und Regierungen den Verlockungen einer CBDC nicht lange widerstehen werden, ist angesichts der derzeitigen Lage des Finanzsystems wahrscheinlich. Der Boden für CBDCs wird wie besprochen bereits in vielen Teilen der Welt bereitet. Allerdings ist es eine komplett offene Frage, ob CBDCs wirklich durchgesetzt werden können.
Das Pro-Argument ist offensichtlich. Eine Bankenkrise ist ein existenzbedrohendes Szenario – aufgrund der wirtschaftlichen Vernetzung sogar auf globaler Ebene. Viele Leute können sicher damit gelockt werden, dass eine CBDC Bankenkrisen unmöglich machen und ihr Erspartes nun immer sicher wäre. Aufgrund der mannigfaltigen Steuerungsmöglichkeiten könnten Regierungen im Extremfall sogar direkte monetäre Anreize bieten, damit CBDCs genutzt werden. Ein Stichwort wäre hier ein bedingungsloses Grundeinkommen. Nach dem Sinne: nicht durch Zwang, sondern durch Geschenke die Leute in das neue System überführen. Das bei einem Großteil der Bevölkerung zudem vollkommene Ahnungslosigkeit darüber herrscht, wie Geld wirklich funktioniert und auch, wie eine CBDC funktionieren würde, ist ebenfalls hilfreich.
Allerdings dürfte ein Großteil der Bevölkerung trotzdem entschieden gegen eine Einführung einer CBDC und der Widerstand entsprechend groß sein. Die meisten Leute sind nicht unmündig, sondern legen, mit verschiedenen Ausprägungen doch bis zu einem gewissen Grad immer, Wert auf ihre individuelle Freiheit – vor allem finanziell. In diversen Wirtschaftsbereichen wird zudem ein gewisser Teil schwarz – also bar und am Fiskus vorbei – umgesetzt. Ohne das wären einige Wirtschaftsbereiche wie beispielsweise die Gastronomie komplett unrentabel. Vor allem in Deutschland ist vielen zudem das Bargeld immer noch heilig und wird nicht auf der Bank, sondern zuhause aufbewahrt.
Eine CBDC – und eine damit logisch einhergehende Abschaffung von Bargeld – würde erhebliche Teile der Wirtschaft massiv schädigen und der Widerstand vieler Menschen dürfte entsprechend extrem werden. Diese negativen Effekte wären sehr wahrscheinlich nicht sofort bemerkbar und entsprechend würde sich der Widerstand innerhalb der Gesellschaft erst nach und nach abufbauen. Es ist jedoch aus meiner persönlichen Sicht durchaus wahrscheinlich, dass ein solcher Schritt früher oder später zu gesellschaftlicher Instabilität führen würde. Das gilt genauso für Europa wie für die USA – vor allem, da bereits seit Jahren die gesellschaftlichen Risse ohnehin zunehmend größer werden.
Was bedeutet das für Bitcoin?
Im Endeffekt würde ein solches Szenario den Usecase für Bitcoin nur noch mehr befeuern, da Bitcoin eine komplette Antithese zu einer CBDC ist. Das große Problem liegt jedoch darin, dass eine CBDC, bzw. die Vorstufen dessen wie beispielsweise das FedNow-Netzwerk, den Zugang zu Krypto zunehmend erschweren.
Es dürfte mittlerweile klar sein, dass der Niedergang der US-Banken Silvergate und Signature, die beide ein Netzwerk ähnlich dem von FedNow hatten, welche es Krypto-Unternehmen erlaubt hatte, Kapital 24/7 untereinander und zwischen der Krypto- und der traditionellen Finanzwelt hin und her zu bewegen, kein Zufall gewesen sein dürfte. Das FedNow-System dürfte das Problem nun scheinbar beheben, da es anderen Banken nun dieselbe Möglichkeit für Krypto-Unternehmen als Kunden geben kann, wie es Signature und Silvergate ermöglicht haben. Allerdings ist es durchaus denkbar, dass Banken oder andere Finanzinstitute, die in Krypto involviert sind oder Krypto-Unternehmen als Kunden haben, in Zukunft von dem Fed-Netzwerk ausgeschlossen werden könnten.
Dennoch wäre die Existenz einer CBDC aufgrund ihrer erheblichen negativen Folgen für die Allgemeinheit schon Faktor genug, um die Adaption von Bitcoin weiter anzutreiben. Man könnte, wenn man das Szenario weit genug denkt, sogar so argumentieren, dass die Einführung von CBDCs ein deutlich negatives Endszenario für das derzeitige Geld- und Bankensystem besiegeln würden.
Sollte die aus einer durchaus denkbaren Unruhe hervorgehende Instabilität der Finanzwelt zu groß werden, könnte dies das ganze System implodieren lassen. Dann stünden wir wieder vor dem Problem, dass Bitcoin noch bei weitem nicht dafür geeignet wäre, als Ersatz zu dienen.
Eine wesentlich konstruktivere Vorgehensweise wäre, Die Schulden zu verringern – und die dafür nötigen, erheblichen wirtschaftlichen Kosten durch Pleiten und den Verlust von gigantischen Mengen an Vermögen, in kauf zu nehmen. Gleichzeitig wäre der Wechsel zurück zu einer gedeckten Währungsform mit den technologischen Fortschritten von Bitcoin, die die diversen Limitierungen des alten Goldstandards aufheben würden, wahrscheinlich der mit Abstand konstruktivste Weg, um ein nachhaltigeres und langfristiger orientiertes Wirtschafts- und Geldsystem aufzubauen.
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