2023 könnte ein Jahr werden, in dem es viele Antworten auf die offenen Fragen an den Finanzmärkten und im Krypto-Sektor geben wird, darunter die nach der Inflationsentwicklung, einer möglichen Rezession und ob Bitcoin seinen Preiszyklen weiterhin treu bleiben wird. Was die letztendliche Kursentwicklung von Bitcoin angeht, gibt es mehrere mögliche Szenarien, die das volle Spektrum abschöpfen, denn sowohl was die vergangenen Preiszyklen als auch was die mögliche wirtschaftliche Entwicklung und damit die Richtung für die Gesamtmärkte angeht, gibt es Spielraum in alle Richtungen.
Das pessimistische Szenario
Negative Faktoren, die als Trigger für eine weitere Korrektur an den Märkten auftreten könnten, gibt es leider immer noch viele. Da wäre zum einen die wirtschaftliche Dimension: in 2023 könnten sich die negativen Auswirkungen durch die Pandemie, die Lockdowns und besonders die extreme Geldpolitik vollends entfalten und für eine ausgewachsene Rezession sorgen. An den Finanzmärkten dürfte eine heftige Rezession derzeit noch nicht voll eingepreist sein und würde daher Raum für eine weitere Korrektur geben.
Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass der Ukraine-Krieg in eine weitere Stufe der Eskalation treten könnte. Welche Auswirkungen das genau hervorrufen würde, bleibt schwer zu prognostizieren, doch klar ist, dass die Richtung an den Finanzmärkten in diesem Fall definitiv abwärtsgerichtet wäre.
Gefahr besteht auch weiterhin aus dem Inneren des Krypto-Sektors. Es ist nicht klar, ob es noch weitere Folgeeffekte durch den Kollaps der US-Kryptobörse FTX geben wird. Die wackeligsten Dominosteine sind derzeit die Digital Currency Group und Genesis Trading. Aber auch nicht direkt betroffene Projekte könnten in der derzeit schweren Phase umkippen und weiteren Schaden hervorrufen. Tether schwebt seit Jahren als potenzielles Damoklesschwert über dem Markt und auch beim Branchen-Primus Binance sind zuletzt (sehr spekulative) Fragezeichen bezüglich der Gesundheit des Unternehmens aufgekommen.
Ein negatives Szenario in 2023 könnte sich kurstechnisch so auswirken, dass Bitcoin doch noch die gefürchtete Marke von 10.000 Dollar anschneiden wird und vielleicht sogar noch darunter sinken könnte. Ob das Kursniveau in einem solchen Fall lange dort verharrt, ist jedoch fraglich, da das langfristige Interesse und die Adaption der Kryptowährung im Hintergrund weiter voranschreiten. Auf einem Niveau von 10.000 Dollar dürften sehr viele Käufer auftreten, die auf diese günstigen Kaufkurse lauern – auch solche, die bisher nicht in Erscheinung getreten sind.
Klar ist auch, dass mittlerweile die meisten „weak hands“ – also nicht langfristig investierte und von Krypto überzeugte Investoren – bereits aus dem Markt gefiltert wurden. Wer jetzt verkauft, der tut dies nicht mehr aus Zweifeln bezüglich seiner Investmentstrategie, sondern weil er aus fundamentalen Gründen dazu gezwungen ist, bspw. um Verbindlichkeiten zu bezahlen oder weil das Unternehmen in die Insolvenz rutscht und Gläubiger an der Tür klingeln. Dieser Umstand könnte das Abwärtspotenzial meiner Meinung nach durchaus limitieren, selbst wenn sich einer oder mehrere der angesprochenen negativen Faktoren ausspielen sollte.
Das neutrale Szenario
In einem neutralen Szenario dürfte der Boden mit dem derzeitigen Marktniveau bereits gefunden sein und es besteht kein signifikantes Abwärtspotenzial mehr. Zwar könnten die Tiefs noch einmal getestet werden, wenn es beispielsweise zu einer weiteren großen Insolvenz im Sektor kommen würde, doch da der Markt derzeit bereits so pessimistisch ist wie nie und mit dem Schlimmsten rechnet, dürfte bei den bisherigen Tiefs um den Bereich von 15-16k Dollar für Bitcoin Schluss mit dem Abwärtspotenzial sein.
Ein solches Umfeld würde Raum für eine lange Akkumulationsphase in 2023 geben, in der es insgesamt seitwärts gehen wird. Die Volatilität an den Finanzmärkten ist immer noch hoch und der mögliche Korridor, der sich in diesem Fall bilden würde, hätte sicher Potenzial sich bis zur Marke von 25k oder gar 30k Dollar am oberen Ende auszubreiten.
Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene würde ein neutrales Szenario in einem Umfeld wahrscheinlich, in dem es zu einer weiteren Entspannung in Sachen Inflation kommt, der Zielkorridor der Notenbanken von 2-3% jedoch nicht erreicht wird, sodass die FED, EZB und Co. in 2023 die Zinsen oben halten. Das würde die Gesamtwirtschaft ebenfalls in der Schwebe halten zwischen einem ungünstigen Zinsumfeld und einer schwächer werdenden Inflation. Ein Großteil der Wirtschaft könnte wahrscheinlich relativ solide durch solch ein Umfeld navigieren, der Raum für eine milde Rezession wäre aber da und das würde im Umkehrschluss wenig Spielraum für ein starkes neues Aufwärtsmomentum an den Märkten geben. Anhand der derzeitigen Daten, die die Märkte liefern, ist dies das aus meiner Sicht wahrscheinlichste Szenario (das kann sich anhand neuer Daten natürlich sehr schnell ändern).
Das optimistische Szenario
Für ein positives Szenario könnte eine Entspannung bei einem oder mehreren der Faktoren sorgen, die in 2022 für so viel Unmut an den Märkten gesorgt haben. Besonders eine stark abflachende Inflation oder auch eine Entspannung im Ukraine-Krieg könnte für ein deutliches Aufatmen an den Märkten und eine entsprechende Rally sorgen.
Ein weiterer entscheidender Faktor wird sein, wie sich die Wirtschaft weiterhin in diesem schwierigen Umfeld schlagen wird. Aufschluss geben werden die nächsten anstehenden Quartalsberichte Anfang und Mitte 2023. Sollte es zu keiner oder nur einer recht milden Rezession kommen und gleichzeitig keine weiteren Probleme von Seiten der geopolitischen Lage oder der Inflation und in Reaktion der Geldpolitik kommen, dann könnte dieser Umstand ebenfalls für einen nachhaltigen Stimmungswechsel an den Märkten sorgen und den nächsten längerfristigen Aufwärtstrend auslösen.
So oder so dürfte Bitcoin sich weiterhin an seinen Halvings und dem damit einhergehenden positiven Einfluss auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage orientieren. Damit bleibt das nächste Halving Mitte 2024 im Fokus. Ein wie oben beschriebenes, positives Szenario könnte allerdings auch in 2023 entweder eine Zwischenrally oder bereits den Start des nächsten Bullruns für Bitcoin auslösen, da der Finanzmarkt in diesem Fall zusätzlichen Rückenwind liefern würde.
Eine Rückkehr über das Niveau von 40.000 Dollar wäre in diesem Szenario denkbar.
Wie sollte man als Investor damit umgehen?
Prognosen zu der Entwicklung der Finanzmärkte sind immer schwierig und sollen lediglich der Orientierung dienen. Die Ereignisse der letzten drei Jahre haben jedoch ein chaotisches Umfeld an den Märkten geschaffen, die die Herausforderung, eine halbwegs brauchbare Prognose zu machen, noch einmal um ein Vielfaches erschweren.
Im Endeffekt ist man als Investor immer am besten beraten, wenn man ALLE Möglichkeiten in die eigene Analyse und Strategie mit einbezieht. Ein langfristiger Horizont und eine generelle These bezüglich des Erfolgspotenzials des zugrundeliegenden Assets sind das Fundament, auf welchem solche Prognosen aufgelegt werden können.
Im Fall von Bitcoin und der Annahme, dass das Asset seinen Wachstumskurs aufgrund seiner fundamentalen Stärken weiter fortsetzt, heißt das, dass man sich entsprechend der verschiedenen Szenarien Handlungsstrategien überlegt und Käufe oder Verkäufe vorher grob plant, damit man keine kurzfristigen und unüberlegten Handlungen eingeht, die dem eigenen Investmenterfolg schaden könnten.
Ich persönlich hoffe zwar auf das optimistische Szenario, plane jedoch eher mit dem neutralen bis negativen Szenario. Da ich langfristig weiterhin von Bitcoin überzeugt bin, würden diese beiden Szenarien entsprechend weiterhin gute Kaufkurse liefern, die dann im nächsten Bullrun profitable Gewinnmitnahmen möglich machen. Stand jetzt gehe ich davon aus, dass der nächste Bullrun um das nächste Halving herum oder kurz danach einsetzen kann.
Im übergeordneten Kontext würde dies ebenfalls Sinn machen, da es wahrscheinlich ist, dass wir spätestens nach dieser Zeitspanne auch an den Aktienmärkten wieder eine längere Aufwärtsperiode sehen könnten, selbst wenn es dieses Jahr doch zu einer deutlicheren Rezession kommen sollte. Sollte eine wirklich heftige Rezession eintreten, werden die Notenbanken gezwungen sein, erneut zu intervenieren und es könnte sich ein ganz ähnliches Szenario wie 2020 abspielen. Kurzfristig wäre die Inflation im Fall einer ausgewachsenen Rezession aufgrund der einbrechenden Nachfrage wahrscheinlich kein Problem mehr, was den Notenbanken entsprechenden Spielraum für eine geldpolitische Lockerung spätestens im nächsten Jahr geben würde.
Während der langfristige Blick auf Bitcoin aufgrund seiner Kernthese als Alternative zum derzeitigen Geld- und Zentralbanksystem zumindest die Chance in Aussicht stellt, dass die Kryptowährung weiterwachsen und ihren Platz als eine solche Alternative einnehmen kann, bleibt eine Prognose für die Entwicklung der restlichen Finanzmärkte auf längere Sicht schwer bis unmöglich, da sie anders als Bitcoin definitiv weiter an den straffen Zügeln der Geldpolitik hängen werden. Der derzeitige wirtschaftliche und geldpolitische Status Quo könnte jederzeit zusammenbrechen, aber genauso gut noch Jahre bis Jahrzehnte von den Zentralbanken moderiert und weiter am Leben gehalten werden. Dass das derzeitige Finanzmarkt- und Wirtschaftsmodell aufgrund seiner größer werdenden Schwächen ein Ablaufdatum hat, hat zumindest aus meiner persönlichen Sicht eine hohe Wahrscheinlichkeit, der man sich als Investor bewusst sein sollte.
Weitere Infos:
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