An den Aktienmärkten herrscht derzeit wieder großer Optimismus. Der Markt verhält sich so, als ob die Rezession bereits stattgefunden hat und wir uns in der Erholungsphase befinden. Seit seinem Tief im Oktober 2022 hat der S&P 500 deutlich an Boden gut gemacht und konnte sich scheinbar aus seinem Bärenmarkt befreien. Eine noch stärkere Erholungsdynamik weist auch der Technologie-Index Nasdaq auf, der wieder in die Nähe seines alten Allzeithochs rückt.
Angesichts einer weiterhin hohen Inflation und den mittlerweile sehr hohen US-Leitzinsen herrscht bereits seit Monaten die Sorge, dass die USA eine schwere Rezession treffen könnte, da Verbraucher und Unternehmen aufgrund dieser doppelten Belastung in die Knie gehen. An den Märkten ändert sich die Stimmung aber immer mehr zum Positiven – mehr und mehr Marktteilnehmer preisen ein, dass die Zukunft vielleicht doch nicht so schwarz aussieht.
Bleibt der US-Konsum ein unerwartet starkes Rückgrat für die Wirtschaft?
Vor allem ein starker Konsum ist wichtig für die Gesundheit der US-Wirtschaft, die wiederum relevant für die globalen Finanzmärkte ist. Wie optimistisch der Markt die Konsumlandschaft in den USA mittlerweile wieder bewertet, verrät ein Blick auf die Performance des S&P Consumer Discretionary Select Sector Index. Dieser enthält Wirtschaftssektoren wie Einzelhandel, Hotels und Restaurants, Textilien, Luxusgüter, Haushaltswaren, Autos usw.
Seit Jahresbeginn hat dieser Index den breiten amerikanischen Aktienmarkt – hier abgebildet durch den S&P 500 – deutlich outperformt. Man sollte dies jedoch mit Vorsicht genießen, denn zwei der 53 Werte des Index machen mehr als 40% der Gesamtgewichtung aus: Amazon mit einer Gewichtung von 25% (seit Jahresanfang um ~ 50% gestiegen) und Tesla mit einer Gewichtung von 18,7% (seit Jahresbeginn um über 110% gestiegen). Dennoch zeigt die starke Performance aus dem Konsumentenbereich, die dieser Index suggeriert, eine deutliche Erwartungshaltung des Marktes, dass dieser Wirtschaftsbereich das Schlimmste bereits hinter sich hat.
KI-Hype sorgt für Wachstumsfantasien
Noch krasser fällt der Vergleich zwischen dem breiteren Aktienmarkt und dem Technologie-Index aus. Der Nasdaq hat den S&P 500 seit Jahresbeginn in seinem Windschatten zurückgelassen.
Grund dafür ist der ausgebrochene KI-Hype. ChatGPT – vor allem die früher im Jahr veröffentlichte Version ChatGPT 4 – hat gezeigt, dass das Zeitalter der künstlichen Intelligenz angebrochen ist, und damit gehen am Markt erhebliche Wachstumserwartungen einher – nicht nur speziell für diesen Markt, sondern aufgrund der Effizienzsteigerung durch KI für fast alle wirtschaftlichen Bereiche.
Ein Sinnbild für den neu ausgebrochenen Hype ist die Nvidia-Aktie. Der Chip-Hersteller ist zuletzt durch die Decke gegangen und ist in den Club der Unternehmen aufgestiegen, die die Marke einer Marktkapitalisierung von einer Billionen Dollar durchbrochen haben.
Oder hängt am Ende doch alles and der Fed?
Ein weiterer Grund für den Aufschwung am Aktienmarkt könnte jedoch auch in genau jenem Treiber liegen, der in 2020 für den Mega-Bullenmarkt gesorgt hat: Die künstliche Liquidität der US-Notenbank Federal Reserve. Die enge Korrelation zwischen der Liquidität und der Aktienmarkt-Performance ist schon länger bekannt.
Ein aktueller Blick auf das Balancesheet der Fed im Vergleich mit dem S&P 500 könnte die Unterstützung durch die Fed-Liquidität – oder sogar nur die Erwartungshaltung auf weitere Liquiditätsspritzen – als Hauptargument für die derzeitige Rally liefern.
Im Zuge der zuletzt ausgebrochenen Bankenkrise in den USA hat die Fed durch neue Instrumente zur Stützung der Banken die Geldschleusen wieder aufgedreht. Das sieht man an dem Spike im Chart, der die Total Assets im Balancesheet der Fed angibt. Mit etwas Verzögerung hat – genau wie in 2020 – die Rally an den Aktienmärkten eingesetzt.
Das Balancesheet sinkt derzeit wieder, weil die Banken nach dem ersten Schock weniger Liquidität in Anspruch nehmen und die Fed gleichzeitig den Abbau der gehaltenen Anleihen fortsetzt. Mit der jüngsten Rettungsaktion hat die Fed aber gezeigt, dass sie im Zweifel jederzeit bereit ist, die Geld-Bazooka wieder abzufeuern, sollte es notwendig werden.
Hinzukommt, dass der Markt der Fed den strengen Ton kaum noch abkauft. Die Fed hat in ihrer letzten Sitzung die Zinserhöhungen bereits pausiert, jedoch angekündigt, dass dieses Jahr noch bis zu zwei weitere Erhöhungen folgen könnten. Der Markt betrachtet diese Aussagen jedoch mit deutlicher Skepsis.
Zum einen, weil es wie beschrieben eine Menge Gefahrenherde gibt, die von den derzeit hohen Zinsen schnell zu einem Problem entfesselt werden könnten: namentlich den fragilen Bankensektor, den Gewerbe-Immobilien-Sektor, sowie die Gefahr einer allgemeinen Rezession. Zum anderen spricht die derzeitige Inflationsentwicklung dafür, dass keine weiteren Zinserhöhungen mehr nötig sind, weil die Teuerung deutlich zurückgeht. Sie ist mit 4% bereits deutlich unter dem derzeitigen Zinsniveau von 5,25%.
Der Markt rechnet also damit, dass die straffe Geldpolitik so gut wie vorbei ist und die Finger der Notenbanker bereits auf dem Abzug der Geldbazooka liegen, bereit sie sofort abzufeuern, sollte die Lage wieder unschön werden.
Warum profitiert der Krypto-Sektor nicht von der Aktienmarkt-Rally?
Während Bitcoin äußerst stark in das Jahr 2023 gestartet ist und die Aktienmärkte hinter sich gelassen hatte, hinkt die Kryptowährung seit Anfang Mai wieder deutlich hinterher und muss kurstechnisch um Oberwasser kämpfen, während an den Aktienmärkten die Bullenparty ausgebrochen ist.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Bitcoin immer noch ein extremes Risk-On-Asset und viel Kapital fließt aus spekulativen Gründen in die Kryptowährung – vor allem an der Wall Street. Ein Umfeld mit stark steigenden Zinsen, in dem das Geld nicht mehr im Überfluss vorhanden ist und Anleihen aufgrund des hohen Zinsabwurfs wieder zunehmend attraktiver werden, lässt Bitcoin weniger attraktiv erscheinen.
Zum anderen herrscht in den USA mittlerweile ein starker regulatorischer Druck auf dem Krypto-Sektor. Viele der Krypto-Unternehmen müssen um ihr langfristiges Überleben fürchten. Das erzeugt zusätzliche Unsicherheit.
Das langfristige Investmentargument von Bitcoin als Alternative zum schwächelnden Dollarsystem und als unabhängiger Geldspeicher bleibt gültig, doch liegt derzeit nicht im Fokus der Anleger, da die Gefahren durch die Bankenkrise zumindest fürs Erste in den Hintergrund geraten sind. Derzeit sind Aktien wieder spannender, da nun vermehrt die Hoffnung auf ein positiveres wirtschaftliches Bild aufkommt und vor allem der KI-Hype wieder viel Bewegung in der Wirtschaft verspricht.
Der Krypto-Sektor jenseits von Bitcoin wird derzeit vor allem durch das schwierige regulatorische Bild in den USA gehemmt. Viele Coins und Projekte sind in das Fadenkreuz der US-Börsenaufsicht SEC gerückt. Solange sich dieser regulatorische Kampf ausspielt und jederzeit neue negative Schlagzeilen zu verschiedensten Krypto-Projekten aufkommen können, hält sich die Euphorie im weiteren Krypto-Sektor in Grenzen.
Das verrät auch ein Blick auf die Marktkapitalisierung des Sektors, wenn man die Giganten Bitcoin und Ethereum herausnimmt. Die Dynamik Anfang des Jahres war wesentlich schwächer als bei Bitcoin und der Altcoin-Sektor präsentiert sich charttechnisch immer noch schwach.
Während Bitcoin das Jahr positiv beginnen konnte und charttechnisch zumindest den Meilenstein erreicht hat, sich aus seinem Bärenmarkt zu befreien und den Start eines neuen langfristigen Aufwärtstrend zu zeichnen, befindet sich der Altcoin-Markt immer noch im Kryptowinter.
Wie geht es weiter?
Die übergeordneten Finanzmärkte schiffen weiterhin in unsicheren Gewässern. Während sich die Stimmung derzeit langsam, aber sicher in Richtung der Bullen neigt und es durchaus einige gute Argumente dafür gibt, bleiben viele potenzielle Krisenherde, die weiterhin für äußerste Vorsicht plädieren. Es bestehen systemische Risiken, die das Bild jederzeit und sehr schnell in eine andere Richtung kippen lassen könnten. Derzeit bewegen sich die Aktienmärkte jedoch auf einem konstruktiven Weg nach vorn, denn von einer Manie oder überzogenen Gier ist trotz der soliden Rally bisher nichts zu sehen – die Stimmung ist immer noch vorsichtig.
Bitcoin erfährt derzeit einen Dämpfer. Im Makro-Bild war das Jahr bisher jedoch äußerst konstruktiv, denn Bitcoin hat sich aus seinem Bärenmarkt befreit und folgt scheinbar weiterhin unbeirrt seinen preislichen Zyklen. Damit rückt spätestens das Halving Mitte 2024 als Katalysator für einen weiteren Bullrun in den Fokus. Trotz der negativen Haltung in den USA geht die Adaption weltweit stetig voran. Vor allem in Asien erkennt man zunehmende Anstrengungen, sich für digitale Assets zu öffnen und dementsprechend auch wirtschaftlich davon zu profitieren. Auch die feste Regulierung in Europa dürfte langfristig hilfreich für die weitere Adaption sein.
Der Altcoin-Sektor ist derzeit noch gebeutelt und die feindselige Regulatorik dürfte für die nächsten Monate noch eine große Herausforderung bleiben. Doch zum einen gibt es auch in den USA Tendenzen, wieder zu einem konstruktiveren Umgang mit dem Sektor zurückzukehren – spätestens das Wahljahr 2024 könnte die Waage hier zum Besseren austarieren. Und zum anderen gilt auch hier das Argument der anhaltenden Adaption in anderen Teilen der Welt. Die USA sind zwar wichtig, doch sie sind nicht die ganze Welt. Spätestens wenn Bitcoin in die spannende Phase des Aufwärtszyklus übergeht, dürfte das auch den Boden für eine starke Performance des restlichen Krypto-Sektors bereiten.
Denkt immer langfristig!
Weitere Infos:
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